Chronik/Österreich

"Höchstes Glück" im Zweiländerhaus

Sepp König streckt in seiner Küche die Arme aus. In diesem Moment ist sein Rücken deutsch, seine Vorderseite österreichisch. König ist Wirt im Purtschellerhaus am Hohen Göll in Salzburg bzw. Bayern – ein Grenzfall, so skurril wie romantisch.

Das Haus wurde um die Jahrhundertwende halb auf österreichischem und halb auf deutschem Boden gebaut. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs erklärten es die Besatzungsmächte zur "exterritorialen Zone", während die Grenzen zwischen Österreich und Deutschland streng kontrolliert wurden.

Schnell bekam die Hütte den Beinamen "Treffpunkt der Liebe". Nur dort konnten sich getrennte Familien und Paare treffen, erzählt König und schlägt die Hüttenchronik auf. In dem Buch stehen Geschichten von Müttern, die dort ihre Kinder wieder in die Arme nehmen konnten, oder von Verliebten, die für ein Rendezvous den beschwerlichen Aufstieg auf 1692 Meter Seehöhe auf sich nahmen. "Im ersten Stock musste sogar ein Bettenlager ausgebaut werden, weil der Andrang so groß war", erzählt König lachend.

Die Besucherzahlen sind explodiert: 1946 waren es 1700 Gäste, ein Jahr später schon 17.000. An einem Tag ergab eine polizeiliche Zählung 560 Personen. "Es waren keine Tage größter Umsätze oder schallender Feste, sie brachten für uns nur Mühe. Aber vielen unglücklichen Menschen gaben wir hier oben höchstes Glück", schreibt der damalige Hüttenwirt in der Chronik.

Zwei Rauchfangkehrer

Mit der Erleichterung der Grenzbestimmungen und der Währungsreform ließ der Besucherstrom nach und das Purtschellerhaus wurde vom Liebesnest zur Alpenvereinshütte. Heute gehört sie dem Alpenverein Sonneberg und lässt wegen seiner ungewöhnlichen Lage den Amtsschimmel wiehern, sagt Obmann Günter Geyer: "Für jede Kleinigkeit, die an der Hütte gemacht werden muss, brauchen wir zweierlei Behörden. Trinkwasser kommt zum Beispiel aus Österreich, das Abwasser geht nach Deutschland."

Weniger eindeutig gestalte sich die Wartung der Kamine. Zum Purtschellerhaus müssen sich jedes Jahr zwei Rauchfangkehrer bemühen: Christoph Kasberger ist für die beiden österreichischen, Christian Öttl für den deutschen Kamin zuständig. "Ich sehe das sportlich", sagt Öttl, der für den Aufstieg etwa zwei Stunden einplanen muss, während die tatsächliche Arbeit in einer halben Stunde erledigt ist. Sein österreichischer Kollege Kasberger ist heuer zum ersten Mal im Einsatz und kann über den Grenzfall herzlich lachen.

Geyer vom Alpenverein – trotz doppelter Kosten für die Rauchfangkehrer – sieht es ebenfalls positiv: "Das ist ein weiterer Punkt, der unsere Hütte so einzigartig macht."