Ausweis soll Bettler schützen
Mein Name ist Lidia. Ich komme aus Rumänien", steht auf einem Ausweis, den die 24-Jährige jetzt immer bei sich hat, wenn sie in den Gassen von Salzburg um Kleingeld bittet. Meistens sitzt sie vor einem Supermarkt in der Kaigasse. Es ist bereits Nachmittag, aber in ihrem roten Plastikbecher klimpern erst 2,70 Euro. Die meisten Passanten ignorieren sie, aber es sei auch schon vorgekommen, dass sie beschimpft werde, erzählt Lidia. Der Ausweis, den der Roma-Verein "Phurdo" diese Woche verteilt hat, gebe ihr Selbstbewusstsein und schütze sie vor quälenden Fragen, die sie nicht versteht. Auf der Rückseite des Ausweises steht eine Telefonnummer und der Vermerk: "Bei Fragen, Anregungen oder Beschwerden können Sie gerne den Verein kontaktieren." Der Anruf landet dann direkt bei "Tata", wie die Roma den Obmann Raim Schobesberger nennen. "Das bedeutet so viel wie ’Papa’. Wenn jemand ein Problem hat, soll er zu mir kommen", erklärt er. Und das sei in letzter Zeit häufiger der Fall. Die Salzburger Polizei kontrolliert seit einem Jahr verstärkt Bettler. Zwei rumänische Kripo-Beamte sind mit auf Streife, um einer mutmaßlichen "Bettlerbande" auf die Spur zu kommen. Manche Medienberichte gießen noch Öl ins Feuer, kritisiert der Vereinsobmann. "Die bettelnden Menschen stehen sehr unter Druck. Immer wieder wird mir berichtet, dass sie von ihren Plätzen vertrieben oder eingeschüchtert werden."
"Phurdo" heißt übersetzt "Brücke", und genau das will der Verein sein: "Wir wollen zwischen den Salzburgern und den Roma vermitteln. Alleine können sie sich nicht verständlich machen und bekommen Angst. Das führt zu Missverständnissen."
"Phurdo-Bus" geplant
Die so genannten Phurdo-Cards seien ein erster Schritt, aber Schobesberger hat noch mehr vor. Demnächst soll es einen "Phurdo-Bus" geben. Ähnlich wie beim "Vinzi-Bus" zieht dieser in Salzburg seine Runden und verteilt warme Mahlzeiten. Das Auto müsse noch angemeldet werden, die Ausstattung sei zum Teil vom Kapuzinerorden zur Verfügung gestellt worden. Was noch fehlt, ist ein Standplatz. Von der Stadt wünscht sich Schobesberger dafür Unterstützung. "Wir brauchen eine Anlaufstelle. Nicht nur für die Roma, sondern auch für die breite Öffentlichkeit. Um das zu bewerkstelligen, fehlen uns die Mittel." Der Verein lebt nur von Spenden. Ehrenamtliche betreuen damit aktuell 30 Bettler. Wobei Schobesberger der Begriff "Bettler" eigentlich zuwider ist: "Es wird oft vergessen, dass das Menschen sind. Menschen, die eben betteln müssen. Das sind keine Kriminellen."
Von "Bossen", die im Hintergrund kassieren, wisse er nichts. "Und wenn, dann wäre ich – selbst ein Roma – wohl der erste, der ihnen den Kampf ansagt", betont er.
Lidia zum Beispiel sei kein Bandenmitglied. Ihre vierjährige Tochter warte zu Hause in Pitesti, Rumänien. Von dem Geld, das sie hier in den nächsten zwei Monaten erbettelt, könne sie ihre Familie eine Weile ernähren. Dann kommt sie zurück nach Salzburg und setzt sich wieder mit einem Becher auf den Gehsteig.