Chronik/Österreich

Rathaus-Logo: Eine Melange um 595.000 Euro

Es kommt wohl eher selten vor, dass sich der Bundeskanzler zur Werbestrategie einer Stadt äußert. Gestern war es dennoch so weit: Die Kosten für den neuen, einheitlichen Markenauftritt der Stadt Wien seien „absurd“, sagte Sebastian Kurz (ÖVP) bei einer Pressekonferenz, bei er es eigentlich um schulische Ganztagsbetreuung gehen hätte sollen.

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Der Kanzler war nicht der Einzige und vor allem nicht der Erste, der sich über den neuen Werbeauftritt der Stadt verwundert zeigte.

Auf Twitter und Facebook sparten die Nutzer nicht mit hämischen Kommentaren: „Das unspektakuläre Ergebnis hebt die Dekadenz dieser Aktion für mich auf ein geradezu inspirierendes Level“, schrieb etwa eine Nutzerin. Viele posteten Bilder mit eigenen, ironischen Logo-Ideen.

Altbekanntes Wappen

Der Stein des Anstoßes: Die (laut Kritikern) viel zu hohen Ausgaben. Wie der KURIER berichtete, ließ sich die Stadt den Markenprozess 595.000 Euro kosten. Auch das Design selbst trägt zur Kritik bei: Denn im Zentrum der Markenwelt steht das altbekannte Stadtwappen.

Experte: "Das ist Wucher"

„Die Agentur musste also keine neuen Logos designen und mit Leben erfüllen. Man konnte auf einer bestehenden Farbwelt aufbauen“, erklärt Kommunikationsexperte Philipp Ploner im Gespräch mit dem KURIER. Er betreibt eine Werbeagentur in Wien – mit breiter Erfahrung im Logo-Design. „595.000 Euro ist weit entfernt von allem, was irgendwie legitim ist für diese Leistung. Das ist Wucher.“

Was wäre angemessen? „Vielleicht ein Fünftel der Summe – und sogar das wäre teuer“, so Ploner. Auch die eigens entwickelte Schrift der Stadt – mit dem klingenden Namen „Wiener Melange“ – rechtfertige die Kosten nicht.

Mehr als nur ein Logo?

Bei der Stadt hält man die Kritik für unsachlich: „Anders als nun viele behaupten, handelt es sich nicht um ein einfaches Logo“, sagt Martin Schipany, Chef des zuständigen Presse- und Informationsdienstes der Stadt. „Es gibt einen breiten Leistungsvertrag mit der Agentur. Dieser beinhaltet mehrere Pakete, die eine ganzheitliche Markenstrategie ermöglichen.“

Die Stadt hat den Auftrag EU-weit ausgeschrieben. Der Auftrag ging schließlich an eine Bietergemeinschaft bestehend aus „Saffron Brand Consultants“, „saintstephens“ und „Instant Design“. „Zu international üblichen Konditionen“, so Schipany. Andere Bieter hätten „wesentlich höhere Summen verlangt“.

Außerdem, so Schipany, würde die neue Markenstrategie langfristig sogar „massiv Kosten einsparen“. Wie das möglich ist? Bisher habe man rund 120 städtische Logos alle paar Jahre überarbeitet. Jedes Mal seien dabei Agenturkosten entstanden, sagt Schipany. Damit sei nun Schluss. In eineinhalb Jahren würden sich die Kosten für den neuen Markenauftritt amortisieren.

ÖVP hat mitgestimmt

Der zuständige Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) übt Kritik am Kanzler: Dieser wolle nur „politisches Kleingeld wechseln und Wien kritisieren“. Die Markenstrategie sei gemeinsam mit der ÖVP beschlossen worden. Die NEOS kündigten gestern Anfragen an die Stadtregierung an.

Im Rathaus spielt man den Ball zurück an den Bund: Dieser habe sich selbst vor einigen Jahren ein „Nation Branding“ verpasst, mit dem er bis heute noch dazu nicht einmal werbe. Verantwortlich war das ÖVP-geführte Wirtschaftsministerium. Kostenpunkt: ebenfalls rund 600.000 Euro.