Quälen im Spital: „Es werden mehr Patienten betroffen sein“
„Für 99,99 Prozent der Mitarbeiter kann man die Hand ins Feuer legen“, beruhigt Spitalslandesrat Christopher Drexler, ÖVP. „Die sind mit Empathie und Engagement für die Patienten da.“ Doch momentan werfen vier Pflegekräfte des LKH Graz Süd -West, Standort Süd (früher Sigmund-Freud-Klinik) ein schlechtes Licht auf den Berufsstand: Drei Krankenschwestern und ein Pfleger sollen Menschen in der Alterspsychiatrie erniedrigt und gequält haben.
Drei Verdächtige wurden bereits entlassen, nachdem Spitalsleiter Michael Lehofer am Freitag von den Vorwürfen erfuhr. Eine Schwester sei „streng verwarnt“ und versetzt worden. Laut dem Psychiater seien bis jetzt sechs Fälle bekannt. „Wir glauben aber, dass noch mehr Patienten betroffen sein werden.“
Kein WC-Gang
Innerhalb der vergangenen vier bis fünf Monate soll es zu den Übergriffen gekommen sein. Hauptsächlich während der Nachtdienste, ausgelöst durch eine „Gruppendynamik“ innerhalb der vier Pflegefachkräfte, wie Lehofer beschreibt. Beleidigungen, aber auch Erniedrigungen wie verweigerte Toilettengänge stehen im Raum, ebenso die Verabreichung unnötiger Medikamente.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Misshandlung, das Land will ebenfalls aktiv werden: Landesrat Drexler kündig am Dienstag eine „unabhängige Kommission“ an, die die Vorfälle untersuchen, aber auch generelle Verbesserungsvorschläge machen soll. Dem Gremium sollen Experten aus Pflege und Medizin sowie Richter angehören, ebenso die Patientenanwaltschaft.
Spitze des Eisbergs
Volksanwalt Günther Kräuter erhebt schwere Vorwürfe an die Krankenanstaltengesellschaft (KAGES). Die mutmaßlichen Misshandlungen an der Alterspsychiatrie seien die „Spitze eines Eisbergs, der in einem Meer von Strukturmängeln schwimmt“, kritisierte Kräuter am Wochenende.
Ein Vorwurf, den Drexler nicht gelten lässt. Allein beim Personal liege die Alterspsychiatrie zehn Prozent über den gesetzliche Erfordernissen. Laut Pflegedirektion seien für 109 Betten 23 Ärzte und 84 Pflegekräfte vorhanden; derzeit seien 80 Prozent der Betten belegt. Nachts machen durchschnittlich zwölf Pfleger und zwei Ärzte Dienst. „Diese Vorgabe ist durchaus genug“, versichert Primar Lehofer. „Diese Fälle sind ja auch nicht durch Personalmangel zustande gekommen, sondern durch Überforderung.“