Polizisten in Schadstoffanzügen
Von Nihad Amara
Die Aufregung im Altenheim war groß. Vor dem betagten Bewohner lag ein offener Brief, darauf war weißes Pulver. Anthrax-Alarm, mutmaßte die Angestellte. Sie alarmierte die Exekutive, die wiederum ihre Spezialtruppe, die „Gefahrenstoffkundigen Organe“ (kurz GKO), entsandte. Die für chemische oder auch atomare und biologische Gefahrenerkundung ausgebildeten Spezialisten in ihren weißen Schadstoffanzügen gaben Entwarnung: Der Herr hatte einen Krapfen verspeist und Zucker auf das Kuvert gepustet.
So glimpflich läuft es nicht immer, wenn Peter Bamlitschka und seine 44 Kollegen ausrücken. Sie verteilen sich über fünf Standorte in Österreich und sind dann zur Stelle, wenn gefährliche oder unbekannte Stoffe rasch identifiziert, gesichert oder abtransportiert werden müssen. „Bei uns muss es schnell gehen“, erzählt Bamlitschka.
Im Alltag tragen die 45 Beamten ihre Uniform. Trudelt ein Auftrag ein, schlüpfen sie in ihre Schadstoffanzüge.
Die Truppe ist noch jung. Geburtsstunde war der EU-Vorsitz Österreichs 2006. Europaweit verfügten Exekutiven über ähnliche Einheiten. Österreich zog nach. „Die Truppe ist gut geschult. Das Risiko ist kalkulierbar“, erzählt Ausbildner Leo Tous von der Zivilschutzschule. Fortbildungen sind Pflicht.
Spagat
Die GKOs haben bei Einsätzen einen Spagat zu bewältigen: Sie müssen nicht nur mit Schnelltestern und Hightech-Messgeräten möglicherweise todbringenden Substanzen nachspüren, sondern auch Straftatbestände aufklären. „Früher hat man ein Kuvert einfach abtransportiert. Jetzt gibt es vor Ort eine Spurensicherung“, erklärt Bamlitschka. Trittbrettfahrer, die weiße, dem Kampfstoff Anthrax ähnelnde Substanzen versandt haben, wurden so bereits ausgeforscht. Oft assistieren die GKOs ihren Kollegen, die ihnen über Funk Anweisungen geben. Häufige Einsätze gibt es in Botschaften, vor Staatsempfängen oder durch Stoffe aus dem Zweiten Weltkrieg und bei Verkehrskontrollen.
Für ihre „Sonderverwendung“ im Polizeidienst erhalten sie die übliche Außendienstzulage, so, wie wenn sie Strafzettel ausstellen würden. Übers Jahr verteilt müssen sie rund 50-mal ausrücken. „Daran merkt man“, erzählt Bamlitschka, „dass die Menschen sensibel für solche Themen sind.“ Oft übersensibel. In NÖ klagten zwei Frauen über Hustenreiz an ihrer Tür. Ein GKO-Team rückte aus, brachte die Türmatten ins Labor. Ergebnis: Urin von den Haustieren der beiden. Die verfeindeten Mieterinnen hatten einander gegenseitig die Matten beschmutzt.