Österreich: 48 Terrorverdächtige festgenommen
Die Terrorgefahr in Europa nimmt derzeit zu statt ab. Das ist das Fazit des am Mittwochnachmittag veröffentlichten Europol-Berichts über die „Terrorsituation 2017“. Und Österreich spielt dabei eine entscheidende Rolle – 48 von europaweit 705 verdächtigen Dschihadisten wurden in der Alpenrepublik erwischt.
Damit sind lediglich Frankreich und Spanien bei den Verhaftungen weit vorne, Österreich liegt nur ganz knapp hinter Belgien und Deutschland auf Platz fünf – aber weit etwa vor Ländern wie Italien und Griechenland. Oder anders gesagt: In keinem anderen Land in Europa, in dem im Vorjahr kein Anschlag stattgefunden hat, wurden mehr Personen mit Terrorbezug verhaftet.
Keine Flüchtlinge
Das spricht einerseits für die hervorragende Arbeit der heimischen Exekutive, zeigt aber dass der Nährboden in Österreich vorhanden ist. Denn der Terrorismus entsteht mittlerweile in den jeweiligen Ländern selber, wie Europol betont. Es gibt keine Hinweise, dass die Flüchtlingsbewegungen dafür genützt werden. Die überwiegende Mehrheit der Verdächtigen sind in dem jeweiligen Land geboren, meist straffällig geworden (etwa Drogen) und wissen auffallend wenig über den Islam Bescheid. Dadurch sind sie leicht empfänglich für Internetbotschaften, in denen ein „selektives“ religiöses Weltbild gezeigt wird, das sie „manipuliert“, wie Europol festhält.
Deshalb werden die Terroristen auch weiterhin vor allem in sozialen Medien und über radikale Internet-Zeitungen rekrutiert. Hier sind zwar Europol (und US-amerikanische Polizeibehörden) zuletzt sehr aktiv gewesen und haben einiges löschen lassen, dies führt aber offenbar zu einer Verlagerung auf kleinere Anbieter von entsprechend vergleichbaren Diensten.
Dafür wird teils veraltetes Material einfach neu aufbereitet. Das führt auch dazu, dass in manchen Medien und von dubiosen „Islam-Experten“ uralte Videos plötzlich als neue IS-Angriffspläne präsentiert werden, was die Propaganda wiederum verstärkt. Auch Videos der österreichischen Salafisten-Prediger Mirsad O. und Mohamed Mahmoud sind immer noch leicht zu finden.
Die meisten Angreifer sind alleine, vereinzelt gibt es einen oder zwei Helfer maximal. Kaum jemand war in Syrien oder Irak im Kampfeinsatz, die Gefahr durch die so genannten „foreign fighters“ scheint also kleiner zu sein als bisher dargestellt. Meist werden einfache Mittel wie Messer oder Autos verwendet, die dann von einem „einsamen Wolf“ für einen Anschlag verwendet werden.
Immerhin 33 Angriffe waren im Vorjahr in Europa in der unmittelbaren Umsetzungsphase (und damit doppelt so viele wie 2016). Zehn waren aus Sicht des Terroristen erfolgreich, zwölf misslangen und elf wurden gerade noch verhindert. Insgesamt 68 Menschen starben (ein Minus zu 2016), allerdings gab es 844 Verletzte. „Das ist mehr als doppelt so viel wie im Jahr davor“, sagt Europol-Sprecher Gerald Hesztera zum KURIER.
Der folgenreichste Anschlag war jener auf das Ariana-Grande Konzert am 22. Mai 2017 in Manchester. Ein in Großbritannien geborener Sohn einer libanesischen Familie hatte sich mit einem Sprengstoffrucksack in die Luft gesprengt und 22 weitere Menschen in den Tod gerissen, sowie 512 verletzt.
Auffallend sei jedenfalls, dass im Mittelpunkt der Anschläge weniger der Sach- als der Personenschaden und das Ziel (westliche Institutionen und Werte) stehen. Verwendet wird vor allem das Sprengmittel Acetonperoxid. Biologische, chemische oder atomare Anschläge waren bisher noch nicht im Endstadium, sodass Angriffe durchgeführt werden könnten. Auch Cyberangriffe seien nicht zu erwarten, wegen mangelnder Fähigkeiten, aber auch weil diese weniger Wirkung entfalten als herkömmliche Anschläge.
El-Kaida noch aktiv
Europol warnt in dem 70-seitigen Bericht, El-Kaida zu unterschätzen. Diese Gruppierung sei nach wie vor aktiv, nicht nur der IS. Durch die zunehmende Zahl antiislamistischer Anschlägen registriert Europol außerdem eine Expansion des rechtsradikalen Spektrums. Dieses würde durch die Furcht vor einer Islamisierung der Gesellschaft oder der Angst vor Migration genährt.