Chronik/Österreich

Neuformierung der Staatssicherheit

Unter Innenminister Ernst Strasser wurde die Staatspolizei zu einem Verfassungsschutz umgebaut. Jetzt, exakt zehn Jahre danach, will Innenministerin Johanna Mikl-Leitner den Staatsschutz vollkommen neu aufstellen. Ihr Ziel ist ein Staatsschutzgesetz, das von allen Parlamentsparteien abgesegnet wird, und in dem die Aufgaben des Verfassungsschutzes klar definiert werden.

Donnerstagvormittag hatte die Innenministerin die Sicherheitssprecher aller Parlamentsparteien geladen. Das war der Startschuss für eine Sicherheitsdebatte, die ein Jahr dauern soll. Zuerst geht es um die Frage, wie die Bedrohungsbilder aussehen und was der Staatsschutz können muss. Diese Frage ist derzeit gar nicht leicht zu beantworten. Ist das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) beispielsweise auch für Industriespionage zuständig? Wo ist hier der verfassungsfeindliche Hintergrund?

Sozialer Friede

Konrad Kogler, Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, sieht hier sehr wohl eine Zuständigkeit. Denn durch Industriespionage würden jährlich aus Österreich 800 Millionen Euro abgeleitet. Das ruiniert viele Arbeitsplätze und bedroht letztendlich den sozialen Frieden. Folglich habe diese Kriminalitätssparte eindeutig auch politische Bedeutung.

Das sind zwar durchaus schlüssige Auslegungen des höchstrangigen Sicherheitsbeamten der Republik, aber Mikl-Leitner hätte die Grundsätze des Staatsschutzes gerne gesetzlich festgelegt. Noch dazu, wo auch im Koalitionsübereinkommen ein Staatsschutzgesetz gefordert ist.

Ihr Ziel ist es nun, auf möglichst "breiter und transparenter Ebene" zu diskutieren, was sich die Bevölkerung vom Staatsschutz erwartet. Einbinden will sie die Parteien, NGOs und Interessensgruppen – etwa die Industriellenvereinigung.

Bürgerkriegskämpfer

Als erster Schritt wird nun das Bedrohungsszenario erarbeitet. Der nächste Schritt wird es sein, daraus die notwendigen Leistungsanforderungen des Verfassungsschutzes abzuleiten. Hier ist ein Wunsch-Paket für Maßnahmen und Kompetenzen zu erwarten, über das man im Innenministerium im Detail noch nicht reden will. Generaldirektor Kogler ließ aber einige Wünsche durchblicken. So sei es derzeit nicht möglich, aus Syrien zurückkehrende Bürgerkriegskämpfer längere Zeit zu überwachen. Es gebe immer wieder Fälle, wo man aufgrund der Beweislage eine strafgerichtliche Verurteilung zwar nicht erreichen könne, wohl aber diese Person als potenziell gefährlich einschätzen müsse. Nach der derzeitigen Gesetzeslage dürfen diese Verdächtigen vom Verfassungsschutz nur neun Monate lang überwacht werden. Dann müssen alle Erkenntnisse gelöscht werden. Kogler: "Diese Leute wissen das natürlich." Hier wird sicher der Wunsch nach Ausweitung der Polizeibefugnisse kommen. Ähnlich liegt die Situation bei erkannten Industriespionen. Auch ihre Akten werden nach neun Monaten geschreddert.

Doch darüber will die Ministerin noch nicht sprechen. Sie will Schritt für Schritt vorgehen. Im September kommenden Jahres soll ein fertiger Gesetzesentwurf vorliegen. Betroffen wäre sicher das "Bundesgesetz über die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei" (kurz: Sicherheitspolizeigesetz).