Chronik/Österreich

Neues Gesetz gegen Bettler-Mafia

Mit einem neuen Menschenhändler-Paragrafen will die EU die organisierten Bettlerbanden aus Rumänien in den Griff bekommen. Nicht die Bettler sollen bekämpft werden, sondern die Hintermänner.

Ob jener Bettler, der in Wien eine junge Frau niedergestochen hatte, auch zu der Szene gehört, ist noch ungeklärt. In Deutschland berichten aber Polizei und Medien über eine zunehmende Brutalisierung der Bettler-Szene. Es vergeht kaum ein Tag ohne schwerwiegende Gewalttat.

Dass die Bettelei auch in Österreich einen meist organisierten Hintergrund hat, ist augenscheinlich. Jede Einkaufsstraße in Wien ist mit erbarmungswürdigen Menschen aus Osteuropa besetzt. Auch in Niederösterreich und den Landeshauptstädten treten die Bettler meist gruppenweise auf.

Bundeskriminalamt

Den besten Überblick über die Situation in Österreich hat Oberst Gerald Tatzgern, Leiter der Zentralstelle im Bundeskriminalamt zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität und des Menschenhandels. Demnach sind in Österreich 1500 Bettler mit organisiertem Hintergrund aktiv. Sie stammen großteils aus rumänischen Roma-Clans. Dazu kämen noch kleinere Gruppen aus Bulgarien und der Slowakei.

Ihre Standplätze werden von der Organisation „vermietet“. Pro Monat erwarten sich die Clan-Chefs von einem Bettler durchschnittliche Abgaben von 100 Euro. Auf guten Standplätzen sind aber auch 50 Euro pro Tag möglich. Die Bettler stehen unter permanenter Kontrolle. Wer nicht spurt, riskiert Schläge. Auch die Angehörigen zu Hause werden unter Druck gesetzt. Nach einer Einsatzdauer von drei Monaten werden die Bettler ausgetauscht.

Die Mafia-Chefs leben in großen Villen neben den Holzbuden der Slums und fahren große Autos. Und sie protzen gerne mit ihren Erfolgen. So erklärte ein Bettler-Chef in einer Reportage des Schweizer Rundfunks stolz, dass er „seine Leute“ in Großbritannien eingesetzt habe.

Ausbeutung

Hier setzt nun die EU mit einer Gesetzesinitiative an. Diese versteckt sich in Österreich hinter einem Begutachtungsentwurf gegen sexuelle Ausbeutung und Kinder- und Menschenhandel. Darin heißt es, dass bisher in Österreich die Meinung vertreten wurde, dass es sich bei der organisierten Bettelei um einen Fall von Arbeitsausbeutung handeln könne. Der Entwurf schlägt aber nun vor, die Bettelei als Ausbeutungsform ausdrücklich zu erwähnen – und zwar im Sinne des Menschenhandels. Das eröffnet den Behörden ganz neue Möglichkeiten. Kommt die Polizei zum Schluss, dass die auf der Straße sitzenden Bettler einen organisierten Hintergrund haben, stehen ihr künftig alle rechtlichen Mittel zur Identifizierung der Hintermänner zu.

Einen Probelauf hat das Bundeskriminalamt bereits mit den rumänischen Behörden geliefert, wo diese Rechtspraxis bereits Realität ist. Nach einer gemeinsamen Operation konnten in Rumänien 17 Personen verhaftet werden, die insgesamt 200 Behinderte in Österreich auf die Straße gesetzt hatten. Die Täter wurden von einem Gericht in Bukarest zu Freiheitsstrafen zwischen drei und sieben Jahren verurteilt.

Das Gesetz wird aber nicht die endgültige Lösung des Problems sein. Denn es ist nachzuweisen, dass die aufgegriffenen Bettler Ausbeutungsopfer sind. Und die – so Tatzgern – sehen sich meist nicht als Opfer. Denn im Wiener Massenquartier und auf dem kalten Gehsteig sei die Situation für die meisten noch immer angenehmer als zu Hause im Slum.

Rechtsprobleme

Bettelerlaubnis Die Regelungen zur Betteleisind in den Bundesländern unterschiedlich. Überall verboten ist das „aggressive Betteln“. Dazu kommen Einschränkungen wie etwa in Niederösterreich und Wien, wo auch das gewerbsmäßige Betteln, Betteln von Tür zu Tür und Betteln mit Minderjährigen unter Strafe stehen.

Totales Bettelverbot Einige Bundesländer versuchten, das Betteln insgesamt zu verbieten. Sie scheiterten am Verwaltungsgerichtshof, der die Regelungen wieder aufhob.

Sie kommen aus Rumänien, Bulgarien und der Slowakei; sie sitzen auf Brücken, vor Kirchen, in Hauseingängen; sie humpeln auf zu kurzen Krücken durch die Altstadt – und sie gehen vielen Salzburgern und den meisten Geschäftsleuten ganz schön auf die Nerven.

Betteln war in Salzburg seit den 1970er-Jahren verboten. Doch Ende Juni 2012 hob der Verfassungsgerichtshof das 33 Jahre alte Gesetz auf, weil es gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Grundrecht auf Meinungsfreiheit verstoße. Bettler, Straßenmusiker und Zeitungsverkäufer aus Südosteuropa nutzten daraufhin den rechtsfreien Raum.

Nach zahlreichen Beschwerden aus der Bevölkerung beschlossen SPÖ, ÖVP und FPÖ im Oktober 2012 ein neues Bettelgesetz: Demnach ist seit Anfang 2013 aufdringliches, aggressives oder organisiertes Betteln verboten; stilles Betteln bleibt erlaubt. Einigen, wie ÖVP und FPÖ, ging diese Regelung nicht weit genug; sie wollten das Betteln in bestimmten, belebten Bereichen der Altstadt gänzlich untersagen.

Doch eine dementsprechende Verordnung fand vergangenen Montag im Stadtsenat keine Mehrheit. Obwohl die SPÖ ursprünglich ihre Zustimmung signalisiert hatte, lehnten Rote und Bürgerliste ein generelles Bettelverbot in der Altstadt ab.