Chronik/Österreich

Nach verheerenden Unwettern: Helfer zittern vor dem nächsten Gewitter

"Ich überleg’ mir jetzt, mit meiner Familie von hier wegzuziehen. Eine Katastrophe dieses Ausmaßes hätte ich nie für möglich gehalten." Herbert Kaiser spricht mit zitternder Stimme. Der Familienvater steht auf einer Anhöhe im steirischen Oberwölz auf der Zufahrtsstraße zu seinem Wohnhaus. Zumindest auf einem Teil dieser Straße. Der Grössingbach, ein Rinnsal, das gewöhnlich hinter seinem Heim vorbeiführt, hat sich am Samstag zu einem reißenden Fluss entwickelt und einen neuen Weg gesucht. Jetzt fungiert die ehemalige Straße als Flussbett. Die Familie Kaiser ist eine von zehn, die nach einer Gewitterserie im Bezirk Murau nach wie vor von der Außenwelt abgeschnitten ist.

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"Im Keller stand das Wasser 50 Zentimeter hoch, alles ist kaputt. Das Haus wurde von Geröll getroffen, der Garten ist verwüstet, die Kinder sind geschockt. Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll", erzählt Kaiser. Tochter Jaqueline, Sohn Alexander und seine Frau Anja bewohnen seit dem ersten Starkregen am Samstag hauptsächlich den ersten Stock. Mit einem Quad bringt die Feuerwehr Lebensmittel vorbei, mit Kübeln schöpfen Helfer Wasser aus dem Keller und schütten es in den Bach.

Abriss droht

"Zehn Häuser im Hinterland sind nach wie vor evakuiert. Die Schäden sind enorm, es ist sogar möglich, dass welche abgerissen werden müssen", berichtet Hannes Schmidhofer, Bürgermeister von Oberwölz nach einem Kontrollflug mit dem Hubschrauber. Im Ort Oberwölz selbst ist der Schöttelbach binnen drei Tagen ebenso oft über die Ufer getreten, weil sich am Sonntagabend ein Gewitter mit Starkregen erneut ebendort entladen hatte.

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Johann Plank war der Hauptbetroffene. Zum dritten Mal binnen drei Tagen. "Am Sonntagnachmittag war alles gesäubert, waren die Hochwasser-Betonschutzwände am Fluss aufgestellt. Am Abend haben sie dann wieder nachgegeben. Der Schaden bei mir beträgt rund 60.000 Euro", schätzt er. Was er aber auch schätzt, ist die Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung, die in Oberwölz gelebt wird. Neben den Feuerwehrleuten fanden sich am Montag rund 20 Nachbarn bei der Familie Plank ein, um zu helfen. Viele von ihnen waren erst wenige Stunden zuvor selbst aus ihren Häusern evakuiert worden, hatten die Nacht in der Neuen Mittelschule verbracht und haben dann Montagfrüh zu Schaufel und Besen gegriffen. „Einige haben sich extra frei genommen, die Arbeitgeber im Umkreis sind sehr kooperativ. Auch aus anderen Gemeinden wird Hilfe angeboten“, erklärt Yvonne Fritz.

Während Bund und Land Steiermark rasche und unbürokratische Hilfe versprochen haben, zittern Betroffene und Helfer weiter. Denn die Wetterdienste prognostizieren nur eine kurze Verschnaufpause: Bereits in der Nacht auf Donnerstag soll die nächste Gewitterfront Oberwölz erreichen.

Kinder in Panik

Weniger dramatisch ist die Lage im Tourismusort Großarl im Salzburger Pongau, der am Samstag und am Sonntag wegen Vermurungen teilweise von der Außenwelt abgeschnitten war. Für Markus Hettegger ist das ein schwacher Trost. Seinen Schiederhof hat es am schlimmsten erwischt. Der sonst so beschauliche Schiedbach war am Samstag und am Sonntag über die Ufer getreten und mannsgroße Felsen mitgerissen. Er verwüstete Hettegers Hotel. Der Schwimmteich im Garten ist voll mit Schlamm. Das Wasser stand selbst im Erdgeschoß noch rund 40 Zentimeter, schildert Hettegger. Innerhalb von zehn Minuten habe sich die Situation am Samstagabend nach einem heftigen Gewitter zugespitzt. "Unsere Gäste haben wir im ersten Stock in Sicherheit gebracht", sagt Hettegger. "Sie mussten zusehen, wie es ihre Autos zuschwemmt. Die Kinder sind in Panik geraten."

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Für das Ausmaß der Zerstörung wirkt der Wirt sehr gefasst. Er schätzt den Schaden auf mindestens 300.000 Euro. „Diese Saison wird das wahrscheinlich nichts mehr werden“, meint Hettegger, während Freunde und Hilfskräfte beim Aufräumen helfen.

Touristen ausgesperrt

Unter den Touristen im Ort herrscht unterdessen Gelassenheit, obwohl manche nicht, wie geplant, am Samstag anreisen konnten. "Wir kamen nicht weiter als drei Kilometer vors Hotel. Wir mussten wieder zurück und haben dann in St. Johann übernachtet", erzählt Frans Gerards aus den Niederlanden. "Wir sind schon seit zehn Jahren hier. Das haben wir noch nicht erlebt. Das ist schrecklich", meint seine Frau Toni.

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Unter den vielen Stammgästen der kleinen Tourismusgemeinde ist die Anteilnahme an der Katastrophe groß. „Die Leute bekommen das auch in Deutschland mit“, sagt Hotelier Peter Hettegger. „Ich habe zig eMails bekommen, in denen sich die Leute erkundigt haben, wie es uns geht.“

Das Land Salzburg hat Mittel aus dem Katastrophenfonds zugesagt. Das Heer beteiligt sich mit 35 Mann an den Aufräumarbeiten.

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In Salzburg waren von Sonntag- bis Montagfrüh 900 Feuerwehrleute aktiv. In Tirol wurden am stärksten Tag – am Samstag – 200 Feuerwehreinsätze gezählt, 2000 Personen eingesetzt.

Auch das Bundesheer stellte für die Katastrophengebiete Helfer zur Verfügung. Rund 160 Soldaten sind in der Steiermark und in Salzburg im Einsatz. Bei Bedarf stehen weitere Leute sowie Hubschrauber und Geräte bereit. Eine Kompanie des Pionierbataillons in Villach rückte am Montagnachmittag mit schwerem Pioniergerät und Spezialisten zum Assistenzeinsatz in den Raum Öblarn, Bezirk Liezen aus.

Die Unwetter haben mittlerweile auch drei Tote gefordert. Ein deutscher Wanderer, stürzte im Zillertal (Tirol) in einen Bach, er wurde am Montag tot geborgen. Ein erst 13-Jähriger wurde in der Nacht auf Samstag in einem Feuerwehr-Jugendcamp in Murau (Steiermark) von einem umherfliegenden Metallteil erschlagen und in Waldzell (Oberösterreich) wurde am Sonntag ein 77-jähriger Fußgänger vom Blitz getroffen.

Laut UBIMET werden für Mittwoch Regenschauer erwartet, für Donnerstag sogar Unwetter.