Glaubensgemeinschaft: Muslime entscheiden über Neuwahlen
Von Bernhard Ichner
Nachdem die Bundesregierung ankündigte, sieben Moscheen zu schließen, die Arabische Kultusgemeinde (AKG) komplett aufzulösen und mindestens 40 Atib-Imame auszuweisen, könnte in der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) kein Stein mehr auf dem anderen bleiben. Wie der KURIER erfuhr, ist für 30. Juni eine außerordentliche Sitzung des Schurarates (quasi des IGGÖ-Parlaments) einberufen. Auf der Tagesordnung steht auch der Antrag auf vorzeitige Neuwahlen des Obersten Rates sowie des Schurarates selbst. Damit geht auch die Wahl eines neuen IGGÖ-Präsidenten einher.
Der aktuelle Präsident, Ibrahim Olgun, ist unter Druck geraten, weil ihm aus Teilen der IGGÖ vorgeworfen wird, die Moschee-Schließungen sowie die Auflösung der AKG selbst verursacht zu haben. Wie berichtet, machte Vizepräsident Abdi Tasdögen eine Korrespondenz zwischen dem Präsidialbüro und dem Kultusamt öffentlich, die das nahelegt. Olgun spricht dagegen von ungerechtfertigten Vorwürfen. Die IGGÖ gehe unter seiner Leitung "ihren gesetzlichen Verpflichtungen nach bestem Wissen und Gewissen" nach und stehe in diesem Zusammenhang selbstverständlich auch im Austausch mit dem Kultusamt. "Pflichtgemäß" seien diesem formelle Mängel bei der Arabischen Kultusgemeinde mitgeteilt worden.
Sollte sich die Mehrheit des Schurarates nun für Neuwahlen aussprechen, würde es laut dessen Vorsitzenden, Ümit Vural, voraussichtlich Ende September oder Anfang Oktober zum Urnengang kommen. Bis dahin bleibe Olgun im Amt. Somit habe man im Sommer Zeit, "darüber nachzudenken, was falsch gelaufen ist und welche Erfahrungen man mitnehmen kann". Ohne der Entscheidung des Schurarates vorgreifen zu wollen, betont Vural: "Wir stehen vor ernstzunehmenden Herausforderungen. Wenn Moscheen geschlossen und Kultusgemeinden aufgelöst werden, kann man nicht einfach wieder zur Tagesordnung übergehen".
Moschee als Kulturverein getarnt?
Die Maßnahmen der Bundesregierung stehen indes weiter in der Kritik. ÖVP und FPÖ wollten zwar den Anschein wecken, es sei ein Schlag gegen den „politischen Islam“ gelungen. Der Bescheid zur Auflösung der Arabischen Kultusgemeinde zeige hingegen ein komplett anderes Bild, sagt Esad Memic - ebenfalls Vizepräsident der IGGÖ. „In Wirklichkeit geht es um Formfehler, wie fehlende Rechnungsabschlüsse oder Zweifel an der Existenz einzelner Moscheen, womit die Kultusgemeinde nicht die erforderliche Mindestzahl von zehn erreichen würde."
Im Bezug auf Kärnten, wo eine der AKG zugehörige Moschee geschlossen wurde, kann Memic die Entscheidung der Regierung nicht nachvollziehen. Sei der betroffene Gebetsraum doch nicht nur ordnungsgemäß bei der IGGÖ registriert. Darüber hinaus sei der Verein auch "nie negativ aufgefallen", sondern habe ganz im Gegenteil zahlreiche interreligiöse und der Integration dienliche Aktivitäten gesetzt. Von einem Kampf gegen radikale Strömungen oder den politischen Islam könne im konkreten Fall nicht die Rede sein, sagt der Vizepräsident.
Seitens der IGGÖ habe man eher damit gerechnet, dass eine ebenfalls in Klagenfurt situierte "kleine, konservative" und mangels Registrierung bei der IGGÖ vor allem illegale Moschee geschlossen werde. Diese sei offiziell als Kulturverein angemeldet, im Widerspruch zum Islamgesetz würden dort aber auch religiöse Lehren verbreitet. Da der Verein nicht der Glaubensgemeinschaft angehört, ist nicht das Kultusamt, sondern das Innenministerium für etwaige Kontrollen zuständig. Für eine Stellungnahme war dort bis dato niemand erreichbar.
Seine Glaubensgeschwister will Memic nach turbulenten Tagen beruhigen. Man fühle sich Wohl in Österreich. Und er wünsche allen Muslimen einen gesegneten Ramadan.