13 Mal auf Ehefrau eingestochen: 15 Jahre Haft für 28-Jährigen
Von Anja Kröll
Es klatscht. Laut. Jedes Mal, wenn Staatsanwältin Kerstin Kutsam ihre Hände ineinander fallen lässt. Dabei zählt sie ebenso laut mit: „Eins. Zwei. Drei. Vier. Fünf. Sechs. Sieben. Acht. Neun. Zehn. Elf. Zwölf. Dreizehn.“
So oft soll jener 28-jährige Mann, der regungslos mit schwarzem Hemd und frisch geschnittener Kurzhaar-Frisur im Schwurgerichtssaal des Landesgerichts Wels sitzt, knapp vor Weihnachten 2022 auf seine Frau mit einem „billigen Küchenmesser“ in einem Fitnessstudio in Vöcklabruck eingestochen haben.
Zehn Minuten nachdem die Frau aus Angst den Polizeiruf gewählt und dort auf eine Anzeige verwiesen worden war, zu der es nicht mehr kam.
Der Prozess wegen versuchten Mordes gegen den 28-Jährigen endete mit eine Schuldspruch durch das Geschworenengericht. 15 Jahre Haft; nicht rechtskräftig. Die Frau erhält 8.000 Euro Teilschmerzensgeld.
Vom Ehemann zum Mordverdächtigen
Die vier Stunden vor Gericht gaben aber nicht nur Einblicke in eine Beziehung, die am 21. Dezember mit einem Mordversuch enden sollte, sondern auch in die Zeit vor der Tat. Bevor ein Ehemann zu einem Mordverdächtigen wurde.
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Eine Zeit, die laut Staatsanwältin Kutsam als Beziehung zu beschreiben sei, in der man "nicht miteinander und nicht ohne einander“ konnte. Die Alkohol- und Drogensucht des Angeklagten hätten diesen Umstand nicht besser gemacht.
Bereits im Herbst 2022 soll die heute 29-Jährige, die mit ihrem Ehemann eine achtjährige Tochter hat, ihm deswegen mitgeteilt haben, dass sie die Scheidung wolle.
Die Reaktion des Angeklagten? „Wenn du dich scheiden lässt, dann bring ich dich um.“ Es blieb nicht die einzige Drohung. Am 18. Dezember - drei Tage vor der Tat - schrieb der Angeklagte: "Gehe ich gern 25 Jahre, oder länger eini, aber mei Gesicht lass ich mir nicht nehmen. Ich schwöre, du wirst was erleben, was sonst kein Mensch auf dieser Welt erlebt hat."
"Es tut mir unendlich leid"
Am Mittwoch vor Gericht klang der 28-Jährige bereits Vorbestrafte, anders: "Es tut mir unendlich leid, ich bin froh, dass nicht mehr passiert ist, dass sie noch da ist. Ich bekenne mich schuldig. Wollte nicht, dass so weit kommt. Mehr möchte ich nicht sagen."
Verteidiger Kurt Jelinek betonte: "Mein Mandant hat sich schuldig bekannte. Es gibt nichts schönzureden."
Opfer erschien vor Gericht
Eine wollte am Mittwoch, dass ihre Stimme gehört wird: Das Opfer der Tat erschien überraschend vor Gericht. Unter Tränen und in Anwesenheit des Angeklagten im Gerichtssaal, versuchte die 29-Jährige, das Protokoll zu bestätigen.
2017 wurde demnach das erste Betretungsverbot gegen den Mann in der Beziehung ausgesprochen. Was Richter Wolfgang Brandmair dann vorliest, lässt sich so zusammenfassen: Würgemale am Hals, Attacke mit einem Baseballschläger, eine Androhung, die Frau vor einen Zug zu werfen.
Anzeige habe sie nur selten erstattet.
"Ich verstehe es nicht"
Den Moment der Tat schildert sie so: "Er hat mich immer wieder und immer wieder geschnappt und mich zu sich gezogen. Mein Körper wollte irgendwann nicht mehr. Ich verstehe nicht, wie man so sein kann. Wie kann man so einen ekelhaften Charakter haben und sagen, dass man einen Menschen über alles liebt?"
Der Angeklagte, der bei der Aussage im Gerichtssaal verblieb, verfolgte die Aussage ohne Regung.
"Er hat in einer Tour auf sie eingestochen"
Dass die Frau den Angriff überlebt hat, dürfte sie zwei Umständen zu verdanken haben: Dass Trainierende im Fitnessstudio dazwischen gingen und, dass die Klinge der Tatwaffe abbrach.
Einer jener Männer, die im Fitnessstudio einschritten, sagte am Mittwoch aus. "Der Verdächtige hat zum mir gesagt, er will nur normal mit der Frau reden, über die Scheidung, dass sie ihm sagen soll, dass es wirklich aus ist. Doch dann ist er völlig explodiert. Ich habe versucht, ihn niederzuhalten, aber hatte keine Chance. Sogar ein Kollege der Karate konnte, hat nix machen können", schildert der Mann in der grauen Kapuzenjacke. "Ich habe so etwas noch nie gesehen. Er hat in einer Tour auf sie eingestochen."
Klinge der Tatwaffe brach ab
Dies bestätigte auch die Staatsanwältin: "Das Einzige, was dem Opfer das Leben gerettet hat, war, dass die Klinge des Messers bald abgebrochen ist. So sieht es auch der Gutachter."
Zum Zeitpunkt der Tat hatte der Angeklagte zwischen 1,7 und 1,9 Promille und hätte sich eigentlich in einer Suchtklinik in Salzburg befinden sollen. Aus der er aber flüchtete. "
In einem Tunnelblick" habe er Schnaps und Bier getrunken, einen Joint geraucht und sei dann mit dem Zug von Salzburg nach Vöcklabruck gefahren, wie im Polizei-Protokoll zu lesen ist. Detail: "Nur um mit ihr zu reden."
Er habe nur mit ihr reden wollen, gibt er dabei auch an. Reden, zu einem Zeitpunkt, an dem er die spätere Tatwaffe bereits bei sich trug. Seine Frau sei dann "mehr von sich in das Messer gelaufen."
Dreizehn Mal.
Gewalt von Männern gegen Frauen gibt es in allen sozialen Schichten, Nationen, Familienverhältnissen und Berufsgruppen. Morde an Frauen können auch Femizide sein. Der Begriff soll ausdrücken, dass hinter diesen Morden oft keine individuellen, sondern auch gesamtgesellschaftliche Probleme wie etwa die Abwertung von Frauen und patriarchale Rollenbilder stehen.
Hilfe für Gewalt-Betroffene gibt es hier:
Frauenhelpline (Mo – So, 0 – 24 Uhr, kostenlos), 0800 / 222 555 Männernotruf: (Mo – So, 0 – 24 Uhr, kostenlos), 0800 / 246 247.