Chronik/Österreich

"Schloss Augen und zog den Abzug"

"Ich hielt die Waffe leicht schräg versetzt an ihren Hinterkopf. Ich schloss meine Augen und zog den Abzug." Dies gab jener Polizist zu Protokoll, der im Verdacht steht, im Oktober 2016 seine schwangere Lebensgefährtin sowie seinen Sohn ermordet zu haben. Dem KURIER liegt nun das von Karl Dantendorfer verfasste psychiatrische Gutachten vor, das Einblick in die Gefühlswelt des mutmaßlichen Täters gewährt. Demnach ist Daniel L. psychisch gesund.

Chronologie

Das Verschwinden der schwangeren Claudia K. und ihres zweijährigen Sohnes Noah Anfang Oktober 2016 entpuppte sich als spektakulärer Kriminalfall. Was geschah: Nach einigen Whats-App-Nachrichten an ihre Mutter ist Claudia plötzlich nicht mehr erreichbar. Verwandte und Freunde machen sich Sorgen, in den Sozialen Medien starten sie eine Suchaktion nach der 25-Jährigen und ihrem Sohn. Doch die beiden sind bereits tot – ihre Leichen liegen in Müllsäcken verpackt in einem Keller.

Daniel L. wiederum hatte sich auf der Dienststelle krankgemeldet und eine Abgängigkeitsanzeige erstattet. Während Claudias Freunde noch suchen und hoffen, gibt er sich laut Gutachten "nicht sehr kooperativ" und zeigt am Finden von Freundin und Kind "wenig Interesse".

Der Druck der Ermittler steigt. Schließlich gibt der Beschuldigte an, beide getötet zu haben. Er soll die Leichen nach Trofaiach in der Steiermark gebracht und dort auf einem Grundstück abgelegt haben. Auch die vermeintlich letzten Nachrichten von Claudia K. – sie stammen wohl von Daniel L., der angibt, diese von ihrem Handy verschickt zu haben.

Laut Gutachten war die Beziehung der beiden problembelastet. Es gab häufig Streit, etwa um Geld oder aus Eifersucht. So auch wieder am 2. Oktober. "Wegen einer Kleinigkeit", heißt es in dem Papier, sei Claudia "wieder handgreiflich" geworden. Daniel habe daraufhin beschlossen, sich zu trennen. Er habe "plötzlich große Wut und Hass empfunden und keinen Ausweg mehr gesehen und zu seiner Dienstwaffe gegriffen".

Treffen mit Geliebter

Claudia war im Schlafzimmer, er sei rechts neben dem Bett gestanden und habe "die Augen zugemacht und einmal in ihre Richtung geschossen". Die Leiche soll er in die Duschkabine gezogen haben. Danach verließ er mit dem kleinen Noah die Wohnung: Daniel L. hatte eine Geliebte. Mit dieser Frau und deren Kindern besuchten sie einen Spielplatz. Gegen 20 Uhr kehrte er nach Hause zurück und säuberte die Wohnung. Laut Gutachten habe er die ganze Nacht wach gelegen. Noah müsse ohne Mutter aufwachsen, der Vater sitze im Gefängnis. "Dann habe er Noah genommen und ihn erwürgt." Danach habe er ihn mit Decken zugedeckt.

Gutachten

Den Ablauf der Tat schilderte der Beschuldigte auch den Verfassern des psychologischen Gutachtens. Trotz der grausamen Details diagnostizierten die Psychiater Daniel L. völlige geistige Gesundheit. Es bestehe ein überdurchschnittlich geringes Risiko, dass L. abermals gewalttätig werde. Allerdings fiele es ihm schwerer als anderen Personen, mit Stresssituationen umzugehen. Der Beschuldigte gibt zudem an, zu beiden Tatzeitpunkten nicht durch Alkohol, Drogen oder Medikamente beeinträchtigt gewesen zu sein.

Das Anwälte-Team Iris Augendoppler und Ernst Schillhammer feilt unterdessen an der Verteidigung von Daniel L. – ein schwieriges Unterfangen, denn seitens der Staatsanwaltschaft gibt es noch keine Anklageschrift. Man warte noch auf die Ergebnisse der Obduktion. Daniel L. gehe es schlecht: "Er weint viel und denkt über die Geschehnisse nach. Er versucht, Antworten zu finden", sagt Augendoppler. Im Moment teilt er sich eine Zelle mit zwei Mithäftlingen in der Justizanstalt Josefstadt.


2009 verübte ein Polizist in Kärnten einen Amoklauf, bei dem er den 17-jährigen Sohn seiner Geliebten tötete und ihren Ex-Mann schwer verletzte. Der Amokläufer nahm sich das Leben. Ein Jahr später erschoss ein Kärntner Polizeibeamter den neuen Freund seiner Ex mit einer alten Dienstwaffe. Auch er brachte sich selbst um. Im Jahr 2012 soll der Tiroler Polizist Heinz S. eine Bankangestellte getötet haben – Motiv waren acht Kilo Gold. S. wurde nicht rechtskräftig zu lebenslanger Haft verurteilt und erhängte sich später in seiner Zelle. Er hatte bis zuletzt seine Unschuld beteuert.