Geheimdienst-Spiele um "Austro-Terroristen"
Dienstag wurde der 28-jährige Mohamed M. von der türkischen Polizei in der Provinz Hatay verhaftet. Er hatte einen gefälschten libyschen Pass. Das wäre für die türkischen Behörden nur ein einfaches Passvergehen gewesen. Im Normalfall hätten sie den Mann wieder auf freien Fuß gesetzt. In Hatay ist man aber sensibel. Denn in diesem syrisch-türkischen Grenzgebiet befinden sich sowohl Stützpunkte der syrischen Opposition als auch der Assad-treuen Alewiten.
Wegen des möglicherweise terroristischen Hintergrundes richteten die Türken eine Anfrage an das deutsche Bundeskriminalamt. Dieses leitete die Anfrage an das österreichische Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) weiter. Und hier erkannte man: Es handelt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Mohamed M. – jenen Wiener mit ägyptischen Wurzeln, der im Jahre 2008 zu vier Jahren Haft verurteilt wurde, weil er in einem El-Kaida-Terrorvideo die Republik Österreich erpressen wollte. Nach der Haftentlassung verschwand er via Deutschland nach Ägypten. Zuletzt verbrannte er vor laufender Kamera seinen österreichischen Reisepass und drohte mit Anschlägen in europäischen Städten.
Gegen ihn liegt ein internationaler Haftbefehl wegen Mitgliedschaft bei einer Terroristischen Vereinigung vor. Das teilte das BVT den Türken auch mit. Dann wird die Sache aber mysteriös. Denn ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien erklärte, dass man von der Verhaftung keine Mitteilung habe. Die Staatsanwaltschaft muss aber der türkischen Justiz den Haftbefehl zwecks Auslieferung übermitteln. Die einzige Information, die vorläge, sei ein Bericht der Kronen Zeitung. KURIER-Recherchen ergaben, dass auch das Innenministerium erst mit massivem Zeitverzug informiert wurde.
Geheimdienstoperation
Im Klartext: Zwei Tage lang verheimlichten die Verfassungsschützer den Vorfall den vorgesetzten Dienststellen. Das bestärkt den Verdacht, dass es sich bei Mohamed M. um einen Geheimdienst-Provokateur handeln könnte. Dieser Verdacht tauchte erstmals 2011 auf. Damals verbüßte der Mann seine Haftstrafe in der Justizanstalt Simmering. Obwohl er dort nachweislich keinen Zugriff zum Internet hatte, konnte er weiter seine Parolen verbreiten: „Allahs Scharia wird von der verfaulten Demokratie ersetzt.“ Und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel nannte er eine „schmutzige Kreuzzüglerin, an deren Händen das Blut der Muslime klebt“. Des Rätsels Lösung: Mohamed M. wurde aus der Haft von BVT-Agenten zu Freigängen ausgeführt, wo er sich im Internet verwirklichen durfte – obwohl damals weder die Justiz noch die Polizei ein rechtliches Interesse an dem Mann hatten. Folglich handelte es sich bei den Freigängen um eine Geheimdienstoperation.
Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums, erklärt, dass derzeit untersucht werde, wie es zu einer Veröffentlichung kommen konnte, obwohl die Identität des Mannes noch gar nicht geklärt war. Dass es sich tatsächlich um Mohamed M. handelt, stand erst Donnerstagabend fest.