Chronik/Österreich

Kurioser Streit: Tiroler Dorf seit sechs Jahren ohne Apotheke

Emmi Hirschberger kommt mit zwei vollen Sackerln aus dem örtlichen Supermarkt von Oberperfuss. Ihre Lebensmitteleinkäufe erledigt die 75-Jährige selbst. Wenn sie Medikamente benötigt, wird das schon schwieriger. "Da muss ich nach Kematen fahren oder eine meiner Töchter fragen, ob sie mir das besorgen können", erzählt Hirschberger.

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Drei Kilometer liegen zwischen der Mittelgebirge-Gemeinde Oberperfuss im Bezirk Innsbruck-Land und dem Nachbarort Kematen unten im Inntal. Vor allem aber trennen die beiden Orte 200 Höhenmeter und mehr. Und die müssen die Oberperfer überwinden, wenn sie Arzneien benötigen.

Bürgerfrust

Denn seit 2009 gibt es in ihrem Ort keine pharmazeutische Versorgung mehr. Der Nachfolger der pensionierten Landärztin im 3000-Einwohner-Dorf durfte nämlich laut Gesetz deren Hausapotheke nicht übernehmen. Die nächste Apotheke befindet sich in Kematen. "Für ältere Leute oder die, die keine eigenes Auto haben, ist das nicht gerade fein", sagt Hirschberger.

Auch Heidi Abfalterer würde sich eine Apotheke im Ort wünschen. "Man deckt sich natürlich vorsorglich mit Kopfwehtabletten und Ähnlichem ein. Aber wenn man wirklich krank ist, wäre es schon wichtig, dass es fußläufig eine Apotheke gibt", sagt die 46-Jährige.

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Dass es an der fehlt, hat laut Bürgermeisterin Johanna Obojes-Rubatscher mit einem Streit zwischen zwei Apothekern und der gültigen Rechtslage zu tun. "In Wien schaut für die Experten auf der Landkarte ja alles flach aus", schimpft sie in Anspielung auf die komplexen gesetzlichen Konkurrenzklauseln, die die Reviere zwischen Landärzten und Apothekern abstecken sollen.
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Die besagen, dass ärztliche Hausapotheken, die weniger als sechs Kilometer von der nächsten öffentlichen Apotheke entfernt sind, mit der Pensionierung des Arztes auslaufen. Die Regelung nimmt keine Rücksicht auf Höhenlagen. Und sie greift auch in Oberperfuss. Dort würde zwar die Apothekerin aus Kematen gerne eine Filial-Apotheke eröffnen. Ein Kollege möchte jedoch eine Vollapotheke errichten. Eine Entscheidung im Rechtsstreit zwischen beiden ist seit Jahren ausständig.

Nationalrat Hermann Gahr (VP) brachte im Parlament eine Petition der Gemeinde ein, das Apothekengesetz derart zu ändern, dass solche Kuriositäten ausgeschlossen werden. Die gibt es aber laut Gert Wiegele, Referent für Landmedizin bei der Österreichischen Ärztekammer, der von bundesweit 100 geschlossenen Hausapotheken in den vergangenen fünf Jahren spricht, immer wieder. "Es ist verrückt. Aber die Politik tut einfach nichts, um das Problem zu lösen."