Chronik/Österreich

Missbrauchsverdacht in Skischule in Lech: Weitere Opfer

Erst am Freitag erhob Alex G., Vater eines Dreijährigen aus Wien, schwere Vorwürfe gegen einen „Ski-Kindergarten“ in Lech am Arlberg.  Sein Sohn sei dort im Jänner von einem Betreuer sexuell missbraucht worden. Mit seinem  Anwalt Nikolaus Rast ging  G. am Freitag an die Öffentlichkeit, auch um die aus seiner Sicht schleppenden Ermittlungen zu kritisieren.

Familien aus dem Ausland

 Nun gibt es zwei weitere mögliche Opfer. Zwei Familien aus dem Ausland haben sich am Wochenende beim „Bündnis Kinderschutz Österreich“ gemeldet. Wie eine betroffene Mutter dem Verein berichtet, soll ihr Sohn  am Skirennen, das traditionell am letzten Skikurstag stattfindet, nicht mehr teilnehmen haben wollen. Er habe sich an sie „festgeklammert“ und „wirklich sehr geweint“.

Durch die Medienberichte sei sie auf den Fall des dreijährigen Wieners aufmerksam geworden und habe sich an den Wiener Kinderschutz-Verein gewandt. „Die Kinder, die im Ausland leben und mit ihren Familien Urlaub in Lech machten, waren in derselben Woche an denselben Tagen wie der dreijährige Bub aus Wien in der Einrichtung“, sagt Roberto D’Atri, Obmann des  Bündnis Kinderschutz. 

Gutachten beantragt

Beide Familien haben  Psychologen kontaktiert, um ein Gutachten erstellen zu lassen, heißt es.  Die möglicherweise betroffenen Kinder sind drei bzw. dreieinhalb Jahre alt. „Ich habe mit den anderen beiden Familien Kontakt gehabt. Ihre Söhne reagierten genau wie meiner, sie klammerten sich an den Eltern fest und schrien, sie wollen nicht mehr in die Einrichtung“, sagt Alex G. im Gespräch mit dem KURIER. 

Laufende Ermittlungen

Die Mutter eines der möglichen weiteren Opfer wandte sich nach dem Anfangsverdacht  an die  Vorarlberger Polizei. Von ihr hieß es auf KURIER-Anfrage am Sonntag aber, dass man laufende Ermittlungen nicht kommentieren könne. Auch auf die Frage, wann und ob der vom Wiener Buben als tatverdächtig bezeichnete Mann vernommen wurde, gab es keine Auskunft. 

D’Atri fordert indes von der Polizei, alle Eltern, deren Kinder im betroffenen  „Ski-Kindergarten“ angemeldet waren,  zu kontaktieren. „Außerdem verlangen wir, dass der Kindergarten geschlossen wird“, sagt D’Atri. 

Die Schließung  des „Ski-Kindergartens“ sei derzeit kein Thema, sagt eine  eigens beauftragte  Sprecherin des „Ski-Kindergartens“ zum KURIER. Die Polizei erhalte alle Informationen, die sie für die Ermittlungen brauche.  

Schock und Mitgefühl

Sie sei „schockiert“  über den Verdachtsfall hinsichtlich des Wiener Buben, sagt die Leiterin der Kinderbetreuungseinrichtung. Ihr Mitgefühl gelte dem Kind und dessen Familie. Jede Art von Missbrauch gegenüber Kindern  sei das Schlimmste überhaupt und zu verurteilen.

Umso mehr verwundert nach dieser Aussage die erste Reaktion des „Ski-Kindergartens“ am Freitag: „Das stimmt nicht,  das kann nicht sein“, hieß es nach Bekanntwerden der Vorwürfe.  Nie werde ein Kind mit nur einer Person alleine gelassen. Diese Reaktion ist sowohl für den Vater des Buben als auch den Obmann des Kinderschutzzentrums irritierend. „Wir haben Beweise, dass das falsch ist“, sagt D’Atri. 

Die Leiterin des „Ski-Kindergartens“ sagt dazu: „Wir arbeiten seit der ersten Minute intensiv mit der Polizei zusammen, damit eine rasche und umfassende Aufklärung möglich ist.“ Der Beschuldigte arbeitet mittlerweile nicht mehr in der Einrichtung.

Der unter Tatverdacht geratene Mitarbeiter arbeite nicht mehr in der Kinderbetreuungsstätte, betonte die Leiterin in ihrer Aussendung. Dessen Arbeitsverhältnis sei bis Ende Jänner befristet gewesen. Das wirft einerseits die Frage auf, ob sich der Mann überhaupt noch in Vorarlberg befindet und für polizeiliche Befragungen zur Verfügung steht.

Nach Informationen der APA handelt sich um einen jungen Mann mit einem Wohnsitz im entfernteren Ausland. Andererseits widerspricht das Bündnis Kinderschutz Österreich auch in diesem Punkt der Version der Einrichtung. Aus Aufzeichnungen gehe hervor, dass der Mitarbeiter ursprünglich bis 15. April vorgesehen war.

Zudem gebe es Fotos, denen zufolge sich der Mann jedenfalls noch am 1. Februar - offenbar bei einer Krisensitzung nach einer polizeilichen Zeugenbefragung der Leiterin - in der Einrichtung aufgehalten habe. Dass der Tatverdächtige zu diesem Zeitpunkt von der Vorarlberger Polizei noch nicht mit dem gegen ihn gerichteten Verdacht konfrontiert worden war, hatte Nikolaus Rast, der Anwalt des Vaters des Wiener Buben, bereits am Freitag scharf kritisiert.

Damit bekomme „der dümmste Verbrecher der Welt Gelegenheit, allfällige Beweismittel zu vernichten“, meinte Rast. Das Bündnis Kinderschutz Österreich befürchtet, man wolle in Lech mitten in der Winter-Hochsaison einen Missbrauchsfall „mit allen Mitteln vertuschen“.

Forderung nach Rücktritt

Vereinsobmann D'Atri verlangte am Sonntag die Schließung der Betreuungseinrichtung sowie den Rücktritt des Lecher Bürgermeisters Gerhard Lucian, der am Freitag fälschlicherweise behauptet hätte, der Tatverdächtige sei nur bis Ende Jänner angestellt gewesen und nicht mehr in der Einrichtung tätig.