Kassenplanstelle: Kein Renner unter Medizinern
Von Gilbert Weisbier
Unterstützung beim Wohnen, Mietverzicht und mehr: Gemeinden überbieten einander mit Zuckerln, um Landärzte anzulocken. Viel geholfen hat das bisher nicht. 21 Vertragsstellen für Allgemeinmediziner sind in NÖ unbesetzt, insgesamt 33 wegen naher Pensionierungen ausgeschrieben.
„Wenn man im Waldviertel keine Nachfolge findet, ist das etwas anderes. Aber wenn es schon bei uns schwierig war, jemanden zu finden, muss es am System liegen“, vermutet Bürgermeister Peter Eisenschenk in Tulln, wo es nach längerem eine Nachfolgelösung für eine große Ordination gibt.
Sorgen
Sein Kollege Gerald Matzinger in Groß Siegharts, Bezirk Waidhofen/Thaya, hat ganz andere Sorgen. Eine von drei Praktiker-Stellen ist seit 2016 vakant. Die beiden übrigen werden mit 1. Oktober frei. Matzinger will die Hoffnung nicht aufgeben: „Ich führe laufend Gespräche, wir bieten jede Unterstützung an.“
Land NÖ, Ärztekammer und Kassen bemühen sich um Verbesserungen. „Wir haben mehr Planstellen als je zuvor, bieten flexiblere Arbeitsmöglichkeiten, haben Honorare erhöht“, sagt Walter Sohler von der NÖGKK. Doch wie sehen das Ärzte?
„Ich hätte gern eine Kassenordination geführt. Aber ich hätte mich und meine Vorstellungen verleugnen müssen“, sagt Gerhard Hartenstein. Lange hat er einen Kassenvertrag angestrebt. Vor zwei Jahren eröffnete er in Tulln vorerst eine Wahlarztordination, da trotz Unterstützung der Stadt keine Zusage möglich war. Als die Stelle 2019 ausgeschrieben wurde, bewarb er sich nicht mehr.
Bei aller Wehmut darüber ist Hartenstein inzwischen erleichtert. Wegen seiner Erfahrungen als Vertreter vieler Hausärzte hatte er deren enorme Belastungen als unabänderlich empfunden. „Bis zu 250 Patientenkontakte, oft 12 Stunden konzentrierte Arbeit am Stück, dann noch Visiten – das ist Alltag und gleichzeitig notwendig, um über die Runden zu kommen“, analysiert er.
Er möchte sich aber Zeit nehmen für Menschen. „Studien belegen, dass Zuwendung Teil des Genesungsprozesses ist. Unmöglich, wenn ich Schilderungen eines Patienten nach 30 Sekunden abwürgen muss“, ist Hartenstein überzeugt.
„Ich fürchte, dass wir zum Teil schon ein amerikanisches Gesundheitssystem haben. Viele Menschen können sich den Wahlarzt nicht leisten“ sagt Hartenstein: „Ich wäre aus innerer Überzeugung lieber Kassenarzt. Oft bin ich selbst überrascht, dass mich so viele Menschen aufsuchen, aber ich denke, das bestätigt meine Philosophie.“
Insgesamt müsste aus Seiner Sicht noch mehr geschehen. „Der Einstieg von Jungmedizinern als Niedergelassener ist auch wirtschaftlich nicht einfach. Man muss investieren, Schulden machen“ sagt Hartenstein. „Ich glaube, es gibt keinen generellen Ärztemangel, sondern dem kassenärztlichen System mangelt es an Möglichkeiten, Anreizen und einem zeitgemäßen Honorarkatalog“, lautet seine Einschätzung.