Chronik/Österreich

Bei Überfall angeschossener Polizist gestorben

Der bei dem Supermarkt-Überfall vom vergangenen Samstag in Wien-Penzing vom Täter angeschossene und dabei lebensgefährlich verwundete, 23-jährige Polizist ist am Dienstagabend seinen schweren Verletzungen erlegen. Das gab die Landespolizeidirektion Wien "in Tiefer Trauer" in einer Aussendung bekannt.

Der Polizist war am Montag auf Wunsch seiner Familie per Hubschrauber in sein Heimatbundesland Kärnten verlegt worden. Der später getötete 49-jährige Räuber hatte dem Beamten in den Kopf geschossen.

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Das vorläufige Ergebnis einer Obduktion zeigte, dass er durch mehrere Schüsse in Kopf und Körper ums Leben gekommen ist. Nähere Details - wie viele Schüsse er abgegeben bzw. welche Projektile ihn getroffen haben - soll ein Schusswaffengutachten klären, das von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegeben wurde.

Laut Harald Segall, SPÖ-Gewerkschafter und Vorsitzender der Personalvertretung der Wiener Polizei, soll nun bundesweit die Forderung nach schusssicheren Westen für jeden Polizisten umgesetzt werden. Darüber hinaus möchte Segall, dass zukünftig jeder Streifenwagen mit ballistischen Helmen ausgestattet wird, auf die von Polizeibeamten bei einer entsprechenden Gefahrenlage zugegriffen werden kann.

Nach Bekanntwerden des Todes des Polizisten meldete sich auch Bundeskanzler Christian Kern auf Facebook zu Wort, der den Angehörigen des 23-Jährigen seine Anteilnahme aussprach:

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Zu dem Schusswechsel war es am Samstag in einem Supermarkt in der Hütteldorfer Straße in Penzing gekommen. Ein Angestellter löste den stillen Alarm nach einem Raub aus, drei Streifenwagen der Polizei kamen zum Tatort.

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Der später durch die WEGA erschossene Räuber eröffnete ohne Vorwarnung das Feuer auf die beiden jungen Polizisten.Mehr dazu lesen Sie hier.

Ein Augenzeugen-Video hält die dramatischen Momente fest, als die Beamten am Samstag gegen 18.15 Uhr den Billa stürmten:

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Die Anteilnahme ist gewaltig. Politiker aller Parteien sprachen ihr Beileid aus. Allen voran Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP): "Ich bin zutiefst erschüttert vom Ableben unseres jungen Kollegen. Meine Gedanken sind in diesen schweren Stunden bei der Familie und den Angehörigen des Opfers." Dem verletzten Polizisten wünscht der Innenminister "rasche und vollständige Genesung". Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Reinhard Zimmermann (FCG), zeigte sich betroffen: "Es ist erschütternd. Wir sind alle tief betroffen. Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen. Wir wünschen ihnen viel Kraft in dieser schweren Zeit." Die Grüne Klubchefin Eva Glawischnig erklärte: "Es ist ausgesprochen tragisch, dass dieser tapfere 23-Jährige seinen Einsatz für andere mit dem eigenen Leben bezahlen musste."

Der Mord an dem 23-jährigen Polizisten ist der erste seit langer Zeit in der Stadt. Zum bisher letzten Mord an einem Polizisten im Dienst kam es laut ORF Wien am 14. Juni 1993. Nach einem Banküberfall in Döbling erschoss der Täter damals auf der Flucht einen 25-jährigen Polizisten und verschanzte sich mit vier Geiseln in einem Kindermodengeschäft. Bei mehrstündigen Verhandlungen mit dem Geiselnehmer wurde auch Polizeioberst Fritz Mahringer angeschossen. Die Exekutive stürmte das Geschäft, der Täter beging Selbstmord.

Auch wenn Todesfälle zum Glück eher selten sind, kommt es in Wien öfter zu gewalttätigen Übergriffen auf die Exekutive. Amtshandlungen enden immer wieder mit Verletzungen. Eine Auswahl schwerwiegender Vorkommnisse aus den vergangenen Jahren:

12. Jänner 2010: Ein 27-jähriger Polizist wird bei einer Fahrzeugkontrolle in Ottakring von einem Fahrzeuglenker angeschossen. Der Autofahrer steigt aus seinem Wagen und feuert auf den Beamten.

15. April 2003: Polizisten beobachten zwei Männer bei einem Einbruch in der Donaustadt und wollen sie festnehmen, einer entkommt zunächst und wird nach einer Verfolgungsjagd gestellt. Bei einem Gerangel kann er sich die Dienstwaffe eines der Beamten schnappen. Zwei Polizisten werden durch Schüsse verletzt.

10. Jänner 2001: Während einer Kontrolle auf der Südosttangente kommt es zu einem tragischen Unfall. Zwei Polizisten der motorisierten Verkehrsgruppe werden bei einem von einem Lkw-Lenker verursachten Unfall getötet. 500 Kollegen und Trauergäste nahmen in der Roßauer Kaserne von ihnen Abschied.

15. September 1999: Bei der Kontrolle eines verdächtigen Pärchens in der Donaustadt zieht der RAF-Terrorist Horst Ludwig Meyer eine Pistole und entwaffnet eine Polizistin. Gemeinsam mit seiner Komplizin flüchtet er. Bei der Verfolgungsjagd wird ein WEGA-Beamter von Meyer durch zwei Schüsse verletzt, der Terrorist schließlich erschossen. Die Komplizin lässt sich festnehmen.

25. März 1998: Mit einem Genickschuss wird ein 29-jähriger Sicherheitswachebeamte außerhalb seiner Dienstzeit in Alsergrund getötet. Die Täter, ein Brüderpaar (21 und 22), hatten es auf die Privatwaffe des Polizisten, einen Revolver, abgesehen.

31. Juli 1995: Nach einer Geiselnahme in einer Wohnung in Wien-Meidling wird ein junger Polizist niedergeschossen und lebensgefährlich verletzt, als er dem flüchtenden Täter in einem Wohnhaus buchstäblich in die Arme läuft.

"Es gelang uns, einen Mann auszuforschen, den man als tatverdächtig bezeichnen kann" – dieser Satz des Wiener Polizeipräsidenten Gerhard Pürstl in einem ORF-Interview sorgt seit Montagabend für heftige Spekulationen der Medien und rege Betriebsamkeit hinter den Kulissen. Eine von der Polizei verhängte Nachrichtensperre verlieh den sich überschlagenden Meldungen neuen Zunder. Doch nicht alles, was seither den Weg in die Medien fand, ist wahr.

"Cobra"-Einsatz

Ausgelöst wurde die Aufregung durch einen "Cobra"-Einsatz am Sonntag in der Wiener City. An nobler Innenstadt-Adresse stürmten zehn Elitepolizisten jene Wohnung, in der der Räuber von Samstagabend gemeldet war. Dabei stießen sie auf den 63-jährigen Wohnungsinhaber. Dieser ist ein Waffensammler und besitzt Granaten und Musketen aus Kriegszeiten sowie Messer und vier Schusswaffen. Er fuchtelte bei seiner Festnahme offenbar mit einer Pistole und soll zwischenzeitlich auch den Finger am Abzug gehabt haben. Die "Cobra"-Männer überwältigten den Quartiergeber des Räubers aber ohne Schusswaffengebrauch.

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In bisher zwei Verhören gab der "zweite Mann" an, nichts von dem Überfall auf den Billa in der Hütteldorfer Straße gewusst zu haben. Der Österreicher sagte, er habe den Bosnier zur Arbeit gefahren und sei dann in ein Lokal gefahren. Da er bisher unbescholten ist, berichten Polizisten hinter vorgehaltener Hand, dass unklar ist, ob er sich im Zuge des Überfalls überhaupt strafbar gemacht hat. Tatsächlich illegal dürfte nur der Besitz des Kriegsmaterials und die Bedrohung der Polizisten sein.

U-Haft beantragt

Die Staatsanwaltschaft beantragte am Dienstag Untersuchungshaft. Entschieden werden soll darüber im Laufe des heutigen Mittwochs, hießt es im Landesgericht.

Da sich die Wiener Polizei strikt auf die Strafprozessordnung beruft und die Ermittlungen zwecks Wahrung der Unabhängigkeit der Untersuchung teilweise von der steirischen Polizei geführt werden, gibt sie keine Details über die Identitäten der Beteiligten bekannt. Dadurch blühen die Spekulationen der Medien. Der zweite Mann wurde deshalb in der Folge rasch zum Komplizen hochgeschrieben, was offiziell aber nie bestätigt wurde.

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DieKronenzeitungwusste sogar zu berichten, dass es sich um einen ehemaligen Richter handelte. Laut einer Sprecherin des Wiener Landesgerichts reichte für diesen Bericht offenbar aus, dass der Name des zweiten Mannes gegoogelt wurde und dabei ein Disziplinarurteil eines Richters aufschien. Das Kleinformat ruderte anschließend wieder zurück und behauptete wenig später, dass der zweite Mann "in seinem Bekanntenkreis den Spitznamen ,Richter‘ genoss".

Obduktion: Viele Einschüsse

Untersucht wird derzeit noch, wie oft der 49-jährige Bosnier von der Polizei Samstagabend bei der Schießerei getroffen wurde. Bei der ersten Obduktion sind sehr viele aufgesplitterte Projektile in seinem Körper gefunden worden. Routinemäßig wird deshalb derzeit gegen vier Beamte wegen fahrlässiger Tötung ermittelt. Hinweise auf ein Fehlverhalten gebe es bisher allerdings keine, wird allseits betont.