Kaczynski-Skandal: Ein Fall für die Wiener Staatsanwaltschaft?
Von Jens Mattern
Der polnische Skandal um das gescheiterte Projekt eines Warschauer Zwillingswolkenkratzers soll nun die Staatsanwaltschaft in Wien beschäftigen.
Denn als Opfer einer undurchsichtigen Finanzierungsgeschichte unter Leitung von Jaroslaw Kaczynski, dem Chef der Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“, sieht sich der Niederösterreicher Gerald Birgfellner. Dieser hat in Wien bei der Staatsanwaltschaft am 12. August einen Termin.
Der Unternehmer hat sich von dem polnischen Politiker, der großen Einfluss auf die parteinahe Baufirma „Srebrna“ besitzt, im Jahr 2017 informell engagieren lassen, dieses Projekt vorzubereiten. Der Büroturm sollte der Parteienfinanzierung dienen und gleichzeitig Jaroslaw Kaczynski und seinem bei dem Flugzeugabsturz von Smolensk tödlich verunglückten Bruder Lech als Denkmal dienen.
Stillschweigen
Dabei mussten sich alle Beteiligten zu Stillschweigen verpflichten. Denn offiziell galt Jaroslaw Kaczynski zwar als „Graue Eminenz“ an der Weichsel, als Machtperson, doch gab er vor, von Gelddingen nichts zu verstehen. Besonders ominös war der Geldtransfer an einen Priester, der für seine Einwilligung in das Projekt umgerechnet 11.000 Euro in bar von Birgfellner benötigte.
Birgfellner soll für die Tätigkeit in Warschau die Firma „Nuneaton“ gegründet haben, zudem ist er als Vorstand der 2017 gegründeten „Balios Project Management Holding“ in Warschau registriert.
Projekt storniert
Im vergangenen Sommer wurde dem Nationalkonservativen Kaczynski das Projekt anscheinend politisch zu heiß und er stornierte es. Für die umgerechnet 1,3 Millionen Euro, die Birgfellner für Architekten und andere Fachkräfte ausgegeben habe, könne nichts ausgezahlt werden, weil der Österreicher keinen formalen Auftrag vorlegen könne, soll es geheißen haben.
Kaczynski bot ihm an, die Baufirma „Srebrna“ zu verklagen, der Rechtskonservative würde im Sinne von Birgfellner aussagen. Dieser nahm jedoch den Politiker in der Parteizentrale heimlich auf – und ließ die Aufnahmen über die oppositionell eingestellte Zeitung Gazeta Wyborcza veröffentlichen und zeigte Kaczynski an.
Die Staatsanwaltschaft in Warschau verhörte bisher jedoch nur Birgfellner, oft auch mit ruppigen Methoden. In Polen wird die Justiz seit 2015 von der rechtskonservativen Regierung zugunsten des staatlichen Machtvolumens reformiert; als Generalstaatsanwalt und Justizminister fungiert Zbigniew Ziobro, ein Hardliner.
Erscheinen verweigert
Birgfellner weigerte sich schließlich, vor der Staatsanwaltschaft in Warschau zu erscheinen. Diese überwies nach eigenen Angaben den Fall im Mai zur Staatsanwaltschaft in Wien – und zwar mittels einer Europäischen Ermittlungsanordnung.
Roman Giertych, Anwalt Birgfellners in Warschau, will in Wien nun offiziell einen Betrugsfall melden und Antrag auf ein Ermittlungsverfahren stellen.
Giertych war in der ersten PiS-Regierungsperiode 2005 bis 2007 selbst Erziehungsminister unter dem Premier Jaroslaw Kaczynski und agiert seitdem als dessen Gegenspieler. Er sieht den Fall anders als die polnische Anklagebehörde.
„Seit einem halben Jahr ist die Staatsanwaltschaft in Polen nicht in der Lage, eine Entscheidung zu treffen, ob man (gegen Kaczynski, Anm.) ermittelt oder nicht“, erklärte der Rechtsvertreter im Gespräch mit dem KURIER.
Juristischer Trick
Beim Nichtentscheiden handle sich um einen juristischen Trick, der nach Meinung des polnischen Advokaten gegen jegliche Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit verstößt. „Es gibt nun nur die Möglichkeit, Jaroslaw Kaczynski durch die Staatsanwaltschaft in Wien zu verhören. Das werden wir beantragen.“
Nur so könne Birgfellner als österreichischer Staatsbürger zu seinem Recht kommen. Dieser will sich zu der laufenden Causa nicht gegenüber dem KURIER äußern.