Chronik/Österreich

Auf Beutejagd bei Großbetrügern

Die Justiz will verstärkt an die Vermögenswerte herankommen, die mutmaßlich aus Verbrechen stammen. Schon jetzt werden – zuletzt 2013 – 9,3 Millionen Euro im Jahr sichergestellt bzw. abgeschöpft (2007 waren es noch magere 812.000 Euro, 2010 rund 3,9 Millionen). So ist etwa das Vermögen von Ex-Bawag-Chef Helmut Elsner samt Villa in Südfrankreich bis heute "eingefroren".

Das mögen angesichts der enormen Schadenssummen und Schmiergeldbeträge, von denen man in Wirtschaftskrimis wie BUWOG, Eurofighter oder Hypo ausgeht, Peanuts sein. "Aber Kleinvieh macht auch Mist", sagt Friedrich Koenig vom Justizministerium, der auch beschlagnahmte Handys nicht gering schätzt.

Gewinnträchtig

Bisher hatte man das Problem, dass der ermittelnde Staatsanwalt in großen Fällen mit Beweissicherung, Vernehmungen, Haftfristen etc. eingedeckt ist. Er findet nicht die Zeit dafür, sich auch noch auf die Suche nach verborgenen Vermögenswerten an dubiosen Finanzplätzen zu machen und diese möglichst gewinnträchtig, also rasch, zu verwerten. Außerdem fehlt ihm mitunter die Erfahrung.

Deshalb wurden vorerst bei den Staatsanwaltschaften Wien, Graz, Linz und Innsbruck Sonderreferate für vermögensrechtliche Anordnungen eingerichtet.

Vier entsprechend geschulte, erfahrene und international vernetzte Staatsanwälte in Wien und jeweils zwei Staatsanwälte an den Bundesländer-Standorten kümmern sich ab kommenden Montag parallel zu den ermittelnden Kollegen ums Pekuniäre: Liegenschaften, Konten, Fahrzeuge, Technologie (Computer, Tablets, Handys), die für Verbrechen verwendet (z. B. Drogenschmuggel) oder durch Verbrechen erbeutet wurden.

Und zwar dort, wo es um grenzüberschreitende Ermittlungen geht und wo es sich auszahlt, also jenseits einer Schadenshöhe von 50.000 Euro oder wenn für den Staat zumindest 10.000 Euro zu erwirtschaften sind. Sektionschef Christian Pilnacek will dadurch auf Tätergruppen, die auf hohe Gewinne ausgerichtet sind, mehr Abschreckung erzielen.

Nebeneffekt ist aber auch, dass man aus diesen Beträgen Opferentschädigungen finanzieren kann. Überdies gehen 20 Prozent der sogenannten Verfallseinnahmen zweckgebunden an das Innenministerium, um auch dort Strukturen für den rascheren Zugriff auf Einnahmen aus Verbrechen auszubauen.

Eingesetzt werden die Sonderstaatsanwälte bei organisierter Kriminalität, Korruption, Schlepperei, Suchtgifthandel, Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung, Wirtschaftskriminalität. Sie müssen Grundbücher und Firmenbücher durchforsten, Bankauskünfte einholen, Kontenöffnungen beantragen, Rechtshilfeersuchen im Ausland stellen, Wertpapierdepots sichern. "Und sie müssen sich auch trauen, das schnell zu verwerten", sagt Friedrich Koenig, wenn ein Wertverlust droht.

Erfahrung

In Wien und Innsbruck haben mit Michael Radasztics und Hannes Wandl zwei Staatsanwälte diese Sonderfunktion zugeteilt bekommen, die bereits in den Telekom-Korruptionsverfahren und im mutmaßlichen Schmiergeldkrimi um die Eurofighter Erfahrung sammeln konnten.

Der Wermutstropfen für die Staatsanwälte bei der neuen Aufgabe liegt zumindest in Wien darin, dass die alten Aufgaben nicht weniger werden, sprich: Entlastung gibt es für sie keine.

Aber Wien verfügt mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ohnehin über eine Spezialeinheit.

Schon im Oktober war klar, dass die Hypo-Taskforce für eine Anstaltslösung ("Bad Bank") als "sinnvollste Lösung" und das "einzig Machbare" eintritt, sagt ein Banken-Aufseher zum Hypo-Debakel. Dann wurde das Thema wegen der Regierungsbildung, dem Wechsel im Finanzressort von Maria Fekter zu Michael Spindelegger und der immer heftigeren Insolvenzdebatte "verzögert und verzögert und irgendwann wirklich chaotisch".

Am Freitag, eine Woche nach dem Rücktritt von Taskforce-Chef Klaus Liebscher, bat nun sein Nachfolger, Notenbank-Chef Ewald Nowotny, um einen zeitlichen Aufschub von einer Woche. Es geht um die mit Hochspannung erwartete Präsentation des Taskforce-Endberichts. Ohne diesen Endbericht verzögert sich auch die überfällige politische Entscheidung, ob die Hypo über die Anstaltslösung abgewickelt oder doch in die Insolvenz geschickt wird, erneut. Spindelegger wird zwar vom Boulevard in den Mund gelegt, den Konkurs als "realistische Option" zu sehen. "Von uns kommt das nicht", dementiert das Finanzministerium.

Warum ist eine baldige Entscheidung wichtig?

Der Zeitdruck ist enorm. Die Bank ist mitten im Bilanz-erstellungsprozess für 2013 und hat auch für 2014 einen Kapitalbedarf von einer Milliarde Euro angemeldet. Außerdem läuft parallel der Verkaufsprozess für das Südosteuropa-Netzwerk der Hypo. Die Pleite-Debatte drückt auf den Preis. Vor allem aber dürfen die derzeit fünf Kauf-Interessenten nicht wieder abspringen, sonst müssen ab 2016 auch die gesunden Bank-Töchter am Balkan in der Anstalt abgewickelt werden.

Was droht bei weiterem Zuwarten?

In naher Zukunft, so die Angst in der Hypo, könnte die Finanzmarktaufsicht einschreiten und die Bank unter Geschäftsaufsicht stellen, so sich Spindelegger zu keiner Entscheidung durchringt. Die Aufsicht steht ihrerseits unter strenger Aufsicht der Europäischen Zentralbank. Sollte die Hypo die gesetzliche Eigenkapitalquote unterschreiten, weil sich Eigentümer Staat im Lauf des April/Mai nicht zum Zuschuss von weiteren Hunderten Millionen durchringen kann, wird es eng.

Warum reißt die Pleite-Debatte nicht ab?

Weil die Option einer Hypo-Insolvenz als Drohkulisse gegenüber Bayern und den Anleihegläubigern gebraucht wird. Beide müssten bei einer Pleite kräftig mitzahlen. Ein Spitzenbanker, der anonym bleiben will, ist strikt gegen die Drohung: "Wir sollten nicht ohne Not unsere gute Reputation aufs Spiel setzen und uns auf eine Ebene mit Griechenland oder Zypern stellen. Auch ein Schuldenschnitt bei den Hypo-Investoren, die Anleihen mit Landeshaftung und damit einer impliziten Bundesgarantie gekauft haben, wäre ein unvorstellbarer Rechtsbruch, den man nicht durchstehen wird."

Warum ist jetzt auch ein Banker für Bank-Pleite?

Die Insolvenz-Fans argumentieren, dass die Hypo-Lasten auf mehrere Schultern verteilt würden und sehnen den Schluss-Strich unter das Hypo-Debakel herbei. Auch die Aufarbeitung der kriminellen Vorgänge in der Bank wäre leichter. Erste-Chef Andreas Treichl hat keine Angst vor einer Pleite der Hypo. Das Rating seiner Bank-Gruppe würde darunter nicht leiden, auch das Problem Kärntens hält er für lösbar. Die Bundesregierung müsste zusichern, dass man zwar bereit sei, die Hypo fallen zu lassen, aber zum Land Kärnten zu stehen, und dass dies ein nicht wiederholbarer Einzelfall wäre.

Wem nützt der Aufschub der Hypo-Entscheidung?

Eventuell der Regierung, in dem man die gewonnene Zeit und das Know-How des neuen Spindelegger-Chefberaters Dirk Notheis nutzt. Er soll prüfen, wie Anleihegläubiger zu beteiligen sind. Eine Idee: Der Tausch von Anleihen mit Landeshaftung gegen Anleihen mit Bundeshaftung – samt einem Abschlag. Dazu müssten die Anleihegläubiger aber zustimmen. Zwingen kann man sie nicht, solange Kärnten nicht pleite geht.

Wird sich die Bonität Österreichs verschlechtern?

Unmittelbar nicht, glauben Experten. Die bis zu 19 Milliarden Euro an faulen Krediten und derzeit unverkäuflichen Immobilien der Hypo sind von den Ratingagenturen längst eingerechnet. Einige Experten sind aber der Meinung, dass ein (unfreiwilliger) Schuldenschnitt bei den Hypo-Investoren das Vertrauen in den Finanzmarkt Österreich beeinträchtigen könnte. Und das könnte sich mittelfristig in einem schlechteren Rating und einer teureren Finanzierung für die Republik und die Bundesländer auswirken.

Stärkt das jüngste Gerichtsurteil gegen Ex-Hypo-Manager die Position der BayernLB gegenüber Österreich?

Das ist zu befürchten. Das (nicht rechtskräftige) Urteil gegen Kulterer & Co besagt im Kern, dass die 2006er-Bilanz gefälscht war. Die Bayern haben die Hypo 2007 auf Basis dieser Bilanz gekauft und deshalb nun ein starkes Argument an der Hand, den Kauf anzufechten. Die BayernLB will beweisen, mit 1,6 Milliarden Euro seinerzeit viel zu viel gezahlt zu haben.