Jedes Jahr verschwinden 200.000 eCards
Von Josef Gebhard
Acht Jahre ist es her, seit die eCard den klassischen Krankenschein abgelöst hat. Damit gehört die lästige Zettelwirtschaft zwar der Vergangenheit an, für die Sozialversicherungen tun sich aber seit der Umstellung neue Probleme auf: Mehr als 200.000 der blassgrünen Karten sind allein im Jahr 2012 ihren Besitzern abhanden gekommen und mussten um beträchtliche Kosten ersetzt werden. Das geht aus einer aktuellen Antwort von Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) auf eine parlamentarische Anfrage hervor.
Die Daten im Detail: 156.453 eCards (oder knapp zwei Prozent aller aktiven Karten) wurden im Vorjahr als verloren gemeldet. 44.257 Karten wurden 2012 als gestohlen gemeldet (siehe Grafik). Die finanziellen Folgen sind beträchtlich: Rechnet man noch die knapp 127.000 defekten Karten hinzu, fielen 2012 für die Krankenkassen rund 1,2 Millionen Euro an Neuausstellungskosten an.
Zahlen, die beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger allerdings kaum für Beunruhigung sorgen. „Im Verhältnis zu den gesamten aktiven Karten sind die Verlustraten immer noch sehr gering“, betont Generaldirektor-Stellvertreter Volker Schörghofer (siehe unten).
Sperre
Was dazu kommt: Dass mit den gestohlenen oder verlorenen Karten von dritten Personen im großen Stil Versicherungsleistungen erschlichen werden, ist offenbar nicht der Fall. Schließlich führt die Verlustmeldung – ähnlich wie bei einer Bankomat-Karte – umgehend zu einer Sperre der betroffenen eCard. Somit bleibt es meist beim Betrugsversuch.
Manchmal ist aber auch dieses Sicherheitsnetz nicht engmaschig genug. Ein Beispiel: Bei der Steirischen Gebietskrankenkasse hat eine Person in zumindest drei Fällen mit gestohlenen Karten Leistungen bezogen. Die Gesamtschadenssumme belief sich auf rund 3100 Euro. Die Täterin wurde zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
Karte „verliehen“
Bleiben noch die Fälle, in denen die Karte wissentlich einer anderen Person weitergegeben wird, damit sich diese von einem Arzt behandeln lassen kann. Bei der Wiener Gebietskrankenkasse etwa wurden im Vorjahr elf derartige Fälle mit einem Gesamtschaden von 3437,33 Euro bekannt.
Gemessen an der Zahl der Versicherten ein geringer Wert. „Es gibt keine Hinweise auf systemweite umfangreiche Missbräuche“, betont man denn auch im Ministerium. Nachsatz: „Es ist freilich anzunehmen, dass es sich bei den bekannt werdenden Missbrauchsfällen nur um die Spitze eines Eisberges handelt.“
Viel höhere Schäden verursachen Missbrauchsfälle im Zusammenhang mit der Europäischen Krankenversicherungskarte (EKVK). Sie bildet die Rückseite der eCard und ersetzt den früheren „Auslandskrankenschein“. Hier wurden im Vorjahr 361 Fälle gezählt. Der entstandene Schaden belief sich auf rund 85.000 Euro. Knapp die Hälfte der Fälle stammten aus Deutschland.
Nicht immer müsse es sich dabei allerdings um ein vorsätzliches Erschleichen von Versicherungsleistungen handeln, betont man im Ministerium: „Im Einzelfall muss auch geprüft werden, ob nicht ein bloßes Missverständnis beim Ausfüllen des Behandlungsformulares vorlag“ und ein Leistungsanspruch zwar nicht beim angegebenen Versicherungsträger, wohl aber bei einem anderen Träger gegeben war.
Volker Schörghofer ist stellvertretender Generaldirektor des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger.
KURIER: Müssten bei Ihnen aufgrund der hohen Zahl an verlorenen und gestohlenen eCards nicht die Alarmglocken läuten?
Volker Schörghofer: Vergleicht man sie mit der Gesamtzahl der aktiven Karten, ist sie nicht besonders hoch. Außerdem können wir keinen Anstieg in den vergangenen Jahren sehen. Im Gegenteil: Bei den als gestohlen gemeldeten Karten gibt es sogar einen Rückgang.
Gibt es dennoch Maßnahmen, um die Verlustraten und die damit verbundenen Kosten zu senken?
Für verlustige Karten sind drei Neu-Ausstellungen innerhalb der letzten fünf Jahre kostenlos. Für jede weitere Neu-Ausstellung aufgrund einer Verlustmeldung sind der Kasse die Kosten mit einem Pauschalbetrag in der Höhe des Service-Entgelts von zehn Euro zu ersetzen. Dadurch soll ein gewisser Erziehungseffekt eintreten. Man muss aber aufpassen, nicht die Falschen zu bestrafen, etwa ältere, vergesslichere Patienten.
Missbrauch passiert weniger mit gestohlenen als mit verborgten eCards. Sollten sie nicht mit einem Foto des Besitzers versehen werden?
Selbst mit einem Foto lassen sich die Besitzer oft nicht eindeutig identifizieren. Dieses Problem kennen auch Grenzbeamte. Außerdem ist fraglich, ob der dafür nötige finanzielle Aufwand im Verhältnis zum Schaden steht, der durch Missbrauch verursacht wird.
Wie kommt es zu den vielen eCard-Missbrauchsfällen im Ausland?
Hier geht es unter anderem um Menschen, die in Österreich gearbeitet haben und abgemeldet wurden – aber noch eine eCard besitzen, mit der sie im Ausland zum Arzt gehen. Das Problem ist, dass der Versicherungsstatus bei der EKVK nicht elektronisch geprüft wird. In einzelnen Spitälern in Deutschland oder Frankreich ist das schon der Fall. Es wird aber an einer flächendeckenden Lösung gearbeitet.