Jeder zehnte Trafikant sperrt zu
Von Michael Berger
Ihre Trafik ums Eck werden Kunden bald nicht mehr finden. Seit Jahresbeginn ließen 35 Wiener Trafikanten für immer ihre Rollbalken herunter. Vor allem Geschäfte in Wohngebieten sind betroffen. 80 der noch 774 bestehenden Wiener Trafiken sollen in den kommenden vier Jahren schließen. Bedeutet ein Minus von über zehn Prozent.
Die Schließungswelle betrifft auch die Bundesländer. Gab es österreichweit vor 15 Jahren noch 3200 Tabakgeschäfte, sind es heuer nur noch 2600. Vor allem Niederösterreich, die Steiermark und Kärnten sind betroffen. Hintergrund: Die zuständige Monopol-Verwaltung will den Markt bereinigen. Dafür werden Trafikanten sogar Schließungsprämien von bis zu 40.000 Euro angeboten (Details siehe unten).
Der KURIER besuchte einen alteingesessenen Wiener Trafikanten. Bei ihm gehen Ende September das letzte Packerl Tschick und die letzte Tageszeitung über den Verkaufstisch.
Jetzt ist Schluss
„Es rechnet sich einfach nicht mehr. Jetzt ist Schluss. Wir verzeichnen in den vergangenen zehn Jahren einen Umsatzrückgang von 50 Prozent. Und das Leben wird immer teurer“, bestätigt Trafik-Inhaber Fery Zargarzadeh, 65, die endgültiger Aufgabe.
Seit 15 Jahren stehen er und seine Frau Zarah hinter dem Trafik-Pult in der Billrothstraße 32 in Wien-Döbling. „Unsere Kunden und wir waren wie eine Familie. Es wurden Neuigkeiten ausgetauscht, über das Grätzl, den Sport und die Politik geredet. Wir wussten, wann wer verstorben war und wann ein Baby auf die Welt kam. Es war wirklich schön in der Trafik. Seit einigen Jahren gibt es fast nur noch Laufkundschaft“, skizziert Herr Zargarzadeh aus seiner Sicht den Wandel der Zeit.
Der Wiener mit serbischen Wurzeln macht die Politik für den miserablen Geschäftsgang verantwortlich: „Eigentlich ist seit Einführung des Tabakgesetzes alles schlechter geworden. Früher kauften Hotels und die Gastronomie bei uns Zigaretten. Dieses Geschäft ist tot. Zeitungen gehen auch schlechter. Und die Leute spielen sogar weniger Lotto“, fasst der Trafikant zusammen. Ende September lässt er den Rollbalken für immer herunter: „Wir wollen nicht mehr. Vielen Kollegen geht es genauso.“
Ungewissheit
Bevor der Wiener allerdings unwiderruflich dichtmacht, ließ er den Wert seines Geschäftes noch schätzen. Ein Gutachten bescheinigt 67.800 Euro. Die von der für Trafiken verantwortliche Monopol-Verwaltung gebotene Schließungsprämie bis 40.000 Euro wird den Geschäftswert nicht erreichen. Wie hoch also wird ihre Prämie sein, Herr Zargarzadeh?
Die Antwort klingt verunsichert: „Das weiß ich noch nicht. Aber ich habe noch Glück. Denn ich gehe nach der Schließung in Pension. Viele andere Trafikanten sind jünger und müssen dann schauen, wie sie über die Runden kommen.“
Wehmut vermischt sich beim leutseligen Trafikanten mit Ärger: „Was ist nur aus der Branche geworden? Sogar beim Zigarettenautomaten müssen sich Kunden mit der Bankomatkarte identifizieren. Auf einer Seite kassiert der Staat bei Zigaretten Steuern, auf der anderen Seite stehen Raucher am Pranger...“
Die für Trafik-Schließungen von der Monopolbehörde angebotene Prämie wurde Freitag heftig kritisiert. Diese sogenannte Stilllegungsprämie beträgt ungefähr acht Prozent Brutto-Tabakumsatzes des Vorjahres. In der Regel sind das zwischen 20.000 und 40.000 Euro.
Der Obmann der österreichischen Trafikanten, Peter Trinkl, befürchtet Defizite in der Planung: „Unser Glück hält sich in Grenzen. Denn was soll ein Kollege machen, der viel Geld in sein Geschäft gesteckt hat und jetzt zusperrt? Gut, der finanzielle Anreiz ist da, aber mit der Prämie kommen die Ex-Trafikanten nicht lange durch.“
Trinkl macht vor allem auf die behinderten Trafikanten aufmerksam: „52 Prozent leben und arbeiten mit einem körperlichen Handicap. In einer Trafik geht das halbwegs. Aber am freien Arbeitsmarkt haben diese Menschen dann null Perspektiven.“
Sterbeprämie
FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky ortete Freitag sogar eine Sterbeprämie: „Trafikanten mit Behinderung werden so in eine unsichere Zukunft, wenn nicht sogar in die Armut getrieben.“
Tina Reisenbichler von der zuständigen Monopolverwaltung sieht das naturgemäß anders: „Ziel ist es, die Anzahl der Trafiken zu reduzieren, damit jene, die übrig bleiben, wirtschaftlich überlebensfähig sind. Es gibt Trafikanten, die nur noch 700 Euro netto im Monat verdienen.“
Für das Trafiken-Sterben sind jedoch auch geänderte Einkaufsgewohnheiten der Kunden verantwortlich. Denn beim üblichen Wochen-Einkauf werden in Shopping-Zentren auch Zigaretten und andere Kurzwaren gekauft. Nur noch in Notfällen führt der Weg in die traditionelle Trafik.
Etwa 200 Tabakwaren-Geschäfte sollen in den kommenden vier Jahren in Österreich – über diese Prämie – für immer geschlossen werden. Geht ein Trafikant in Pension, entscheidet die Monopolverwaltung, ob ein Standort weitergeführt wird. Somit könnte knapp jede zehnte heimische Trafik ab 2017 tatsächlich Geschichte sein.
Bei Bedarf, so Tina Reisenbichler weiter, werden an bestimmten Standorten auch Trafiken eröffnet: „Zwei neue Geschäfte sind auf dem Wiener Hauptbahnhof geplant.“