Islamisten-Gesetze zeigen Wirkung
Bisher war der Kampf gegen die Strukturen der Terrormilizen des „Islamischen Staates“ (IS) in Europa weitgehend eine Angelegenheit der Geheimdienste und der Verfassungsschützer. Jetzt macht aber auch Europol mobil gegen die Terroristen. Europol-Direktor Rob Wainwright kündigte die Etablierung einer neuen Polizeieinheit zum Kampf gegen die islamistischen Netzwerke an, die unter anderem in Österreich Terror-Söldner für den Bürgerkrieg in Syrien und im Irak rekrutieren. Außerdem sollen die Geldflüsse zum IS aufgeklärt werden. Die neue Europol-Einheit soll in einer Woche ihre Arbeit aufnehmen.
Dass der Kampf gegen Hassprediger und Terror-Rekrutierer nicht aussichtslos ist, zeigt die jüngste Entwicklung in Österreich. Denn die verschärften Gesetze zwingen Islamisten zunehmend in den Untergrund und damit auch in die Defensive.
Wie die jüngsten Urteile zeigen, geht die Justiz mit erkennbarer Härte gegen Sympathisanten des IS vor. Freiheitsstrafen zwischen 19 Monaten und drei Jahren gab es gegen neun Angeklagte in Wien, die nur die Absicht hatten, in den Terrorkrieg nach Syrien zu ziehen. In St.Pölten fasste ein 14-Jähriger zwei Jahre aus, davon acht Monate unbedingt. Zwei Tiroler bekamen ein Jahr bedingt und zwei Jahre unbedingt. In Graz wartet ein mutmaßlicher Chef-Terror-Rekrutierer auf sein Verfahren.
Damit ist es jetzt auch vorbei mit den vor einem Jahr noch höchst selbstbewussten und aggressiven Auftritten von Terrorsympathisanten. Es gab in Wien sogar einen Fanartikel-Shop, in dem man Kappen, T-Shirts, und Fahnen mit dem Logo des Islamischen Staates erstehen konnte. Jugendliche präsentierten sich reihenweise im Internet mit den Symbolen der Massenmörder oder verschreckten damit Fahrgäste in den Öffis. Es schien eine neue, radikalisierte Jugendbewegung zu entstehen. Der Verfassungsschutz verzeichnete wöchentlich mehrere Dutzend Meldungen über derartige Auftritte.
Im September 2014 präsentierten Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, Justizminister Wolfgang Brandstetter und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner ein Maßnahmenpaket. Das beinhaltete für IS-Aktivisten neben der Aberkennung einer eventuell vorhandenen Doppelstaatsbürgerschaft und Reisebeschränkungen für Jugendliche auch das Verbot von Symbolen terroristischer Organisationen.
Der Fanartikel-Shop wurde daraufhin sehr rasch geschlossen, die IS-Fahnen verschwanden aus der Öffentlichkeit und auch von Facebook. Karl-Heinz Grundböck vom Innenministerium: „Seit dem Inkrafttreten des Verbotes terroristischer Symbole gibt es kaum noch Meldungen über derartige Auftritte.“
Dadurch haben die IS-Rekrutierer auch die große Bühne verloren und müssen wieder in konspirativen Einzelgesprächen versuchen, Opfer zu finden. Das ist mühsam und auch bereits für die Verfassungsschützer bemerkbar. Auch Verena Fabris, Leiterin der Beratungsstelle Extremismus, registriert einen Rückgang des „IS-Hypes“. Mit ein Grund dafür seien vermutlich unter anderem auch die Erzählungen von desillusionierten Rückkehrern aus dem Kriegsgebiet in Syrien, sagt Fabris.
Deren Erfahrungen wären ein wichtiger Beitrag zur Entmystifizierung des Islamischen Staates.
Beispiel Neonazis
Experten sehen hier eine Parallele zu den rechtsradikalen Wehrsportgruppen der 1980er-Jahre. Diese Gruppen marschierten damals mit ihren Uniformen ganz ungeniert in der Öffentlichkeit. Durch die öffentlichen Auftritte bekamen sie einen beängstigenden Zulauf von Jugendlichen. Es drohte die Gefahr einer neuen, radikalisierten „Jugendbewegung“. Nachdem aber die Justiz nach einer Schrecksekunde doch entschlossen gegen die Anführer vorging, mussten sich diese in ihre konspirativen Kellerlokale zurückziehen und fristen seither wieder ein sektiererisches Dasein.
Für den Verfassungsschutz (BVT) ist nach der aktuelle Entwicklung aber nicht Entspannung angesagt, sondern genau das Gegenteil. „Wir ermitteln derzeit mit Vollgas, mit weiteren Verhaftungen ist zu rechnen“, meint ein BVT-Beamter zum KURIER. Einerseits habe man nach großen Erfolgen gegen das IS-Netzwerk einen besseren Überblick über die Strukturen und Arbeitsweisen des IS. Dadurch könnten auch die Aktivitäten von Hasspredigern besser überwacht werden. Und das sei notwendig, denn radikale „Hinterhofmoscheen“ gebe es noch einige. Ein weiterer Grund für die erhöhte Ermittlungstätigkeit sei die sensibilisierte Öffentlichkeit. „Wir bekommen heute so viele Hinweise aus der Bevölkerung wie noch nie.“
Kampfnamen
Wobei aber die Arbeit im Extremisten-Milieu für die Verfassungsschützer noch immer höchst beschwerlich sei. Ein Beispiel: Will ein Verfassungsschutzbeamter in einem Extremisten-Forum mitdiskutieren, darf er sich keinen der dort üblichen Kampfnamen verpassen. Er muss sich als Beamter des Verfassungsschutzes vorstellen. Auch das Verwerten nachrichtendienstlicher Informationen ist fast unmöglich. Verwertet dürfen nur offene Quellen werden, etwa Zeitungsartikel. Daher fordert Verfassungsschutzchef Peter Gridling die rasche Umsetzung des Staatsschutzgesetzes, das derzeit im Parlament zur Begutachtung aufliegt. Gridling: „Wir sind kein klassischer Verfassungsschutz, sondern nur ein kriminalpolizeilicher Staatsschutz.“
Zwischen ÖVP und SPÖ ist das Staatsschutzgesetz bereits paktiert. Einwände kommen von der Richtervereinigung und der Rechtsanwaltskammer, denen die im Gesetzesentwurf festgelegten Befugnisse zu weit gehen. Die Neos sehen Bürgerrechte in Gefahr. Der Grüne Peter Pilz will es mit „allen parlamentarischen Mitteln“ verhindern.