Chronik/Österreich

Identitäre-Prozess: Freisprüche und Geldstrafen

Im Grazer Straflandesgericht ist der Prozess gegen 17 Anhänger der rechtsradikalen Identitären Bewegung Österreich (IBÖ) am Donnerstag zu Ende gegangen. Die Angeklagten wurden alle freigesprochen vom Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung und der Verhetzung.

Zwei Verurteilungen bezogen sich auf eine IBÖ-Aktion im weststeirischen Maria Lankowitz sowie auf jene in der Universität Klagenfurt. Bei letzterer erkannte der Richter eine Körperverletzung und eine Nötigung, da der Beschuldigte dem Rektor in den Bauch geschlagen haben soll. Der Angeklagte wurde zu einer Geldstrafe von 720 Euro verurteilt. Der andere Beschuldigte muss wegen Sachbeschädigung eine Strafe in der Höhe von 240 Euro bezahlen.

"Bei günstiger Auslegung handelt es sich um keine Kritik am Islam, sondern an der Islamisierung. Es kommt auf den Bedeutungsinhalt an. Wenn der mehrdeutig ist und verschiedene Auslegungsvarianten möglich sind, hat das Gericht im Zweifel für den Angeklagten zu entscheiden. Es ist im Zweifel so auszulegen, dass es nicht um Kritik an der Religion des Islam geht, sondern um den Prozess der Islamisierung durch politischen, radikalen Islam", begründete der Richter das Urteil.

Die Urteile sind nicht rechtskräftig.

"Front von Feiglingen"

Der Staatsanwalt war zu Beginn des Verhandlungstages mit den Beschuldigten hart ins Gericht gegangen. "Sie stellen sich als eine Front von Gesetzestreuen dar und begehen fortwährend Gesetzesbruch." Er sprach über die Sachbeschädigungen im Zuge diverser Aktionen, die vom IBÖ-Programm "Integration ist Lüge" ausgegangen waren. Dazu gehörte auch der Sturm einer Vorlesung in Klagenfurt, bei der der Rektor einen Faustschlag gegen den Bauch erhielt. Man hätte sich auch der Diskussion stellen können, so der Ankläger: "Sie sind für mich keine Front von Patrioten, sondern eine Front von Feiglingen."

Bei einer anderen Aktion wurde die einzige weibliche Angeklagte geschickt, Wände zu besprühen. "Sie ist auch ein Opfer, sie wäre von selbst nie auf so eine Idee gekommen. So geht man mit denen um, die man nicht als Elite sieht" , war der Staatsanwalt in Hinblick auf die Hierarchie innerhalb der IBÖ überzeugt.

Im Zentrum der Anklage standen die kriminelle Vereinigung und die Verhetzung. "Sie vermeiden jede Differenzierung, weil Hetze einfacher ist. Sachkundige Kritik ist schwierig", warf der Ankläger den Beschuldigten vor, die er als "Pseudomoralisten, die vorgeben, den Staat zu beschützen", bezeichnete.

Pilnacek verteidigt Anklage

Nach dem weitgehenden Freispruch hat der Generalsekretär des Justizministeriums, Christian Pilnacek, die Staatsanwaltschaft verteidigt. Das Urteil sei "weder eine Niederlage noch Kritik" für die Anklage, meinte Pilnacek gegenüber der APA. Die Beweismittel hätten nicht ausgereicht, um zu einem Schuldspruch zu gelangen.

Pilnacek, der schon vor drei Wochen den von Kritikern angeführten Vorwurf des "Gesinnungsstrafrechts" zurückgewiesen hatte, sprach nun von einer "Entscheidung an der Grenze". Es sei aber notwendig gewesen, sich mit der Bewegung auseinanderzusetzen. Die Staatsanwaltschaft sei sehr bemüht gewesen, die Zusammenhänge darzustellen. Die Anklage sei sehr ausführlich begründet und vertretbar gewesen, das Gericht habe eine Entscheidung getroffen.

Der Sektionschef, der auch darauf verwies, dass man für eine endgültige Beurteilung noch die Begründung des Gerichts abwarten müssen, betonte auch, dass der Weisungsrat die Anklage ebenfalls für begründet gehalten habe. Und im Verfahren hätten Zeugen auch ausgesagt, welche Ängste bei ihnen ausgelöst worden seien.

Strafrechtler Fuchs über Anklage "zumindest unglücklich"

Den Strafrechtler Helmut Fuchs hat der weitgehende Freispruch für 17 Anhänger der Identitären Bewegung Österreich "nicht überrascht". Er habe der Anklage nichts entnehmen können, was den Tatbestand der Verhetzung und der Bildung einer kriminellen Vereinigung erfüllt. Der Experte findet es "beruhigend", dass das Gericht sehr bemüht gewesen sei, diesen unbestimmten Tatbeständen klare Konturen zu geben, um damit Missbräuche zu verhindern.

Dass überhaupt Anklage erhoben wurde, findet der frühere Vorstand des Strafrechtsinstituts der Uni Wien "zumindest unglücklich". Er befürchtet nun, dass der Freispruch "politisch falsch verstanden werden könnte", er hoffe nicht, dass der Eindruck entstehe, die Justiz ginge nicht gegen Rechtsradikale vor. Es gehe darum, ob eine konkrete Straftat erfüllt werde und konkrete Straftaten habe das Gericht auch verfolgt, meinte Fuchs.

Der Strafrechtsexperte regte als Konsequenz an zu überlegen, dass über derartige Anklagen künftig nicht eine einzelne Staatsanwaltschaft entscheiden sollte. Überlegenswert wäre seiner Ansicht nach, das Weisungsrecht zu stärken, damit das Ministerium eingreifen kann und nur dann Anklage erhoben wird, wenn eine Verurteilung als wahrscheinlich erscheint.

DÖW hält an Einstufung als rechtsextrem fest

Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) bleibt auch nach dem weitgehenden Freispruch bei seiner Einstufung der IBÖ als rechtsextrem. Gleichzeitig verwies das DÖW auf Artikel 9 des Staatsvertrags, wonach Österreich sich völkerrechtlich verpflichtet hat, "alle Organisationen faschistischen Charakters aufzulösen".

Das DÖW hält in einer Stellungnahme auf seiner Internetseite auch fest, dass die Bekämpfung des Rechtsextremismus nur in manchen Fällen mit strafrechtlichen Mitteln erfolgen könne. Sie bleibe vorrangig eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung.

Konkret zum Urteil verweist das DÖW auf die Novellierung des Verhetzungsparagrafen 2015. Demnach ist es für eine Verurteilung nicht hinreichend, den objektiv hetzerischen Charakter von Aussagen nachzuweisen. Vielmehr müsse nun nachgewiesen werden, dass den Aussagen eine entsprechende Absicht zugrunde lag. Damit sei eine Hürde errichtet worden, die nach Dafürhalten des Gerichts in diesem Verfahren offenbar nicht überwunden worden sei.