Chronik/Österreich

"Alpenverein tritt Natur mit Füßen"

Es ist das Prunkstück des Salzburger Lungaus: Das Riedingtal bei Zederhaus in den Radstädter Tauern. Imposante Felsformationen, üppige Almwiesen und – je weiter man nach oben wandert – Geröll. Sehr viel Geröll. Es sind "Kollateralschäden" vom Neubau der Franz-Fischer-Hütte, einer Schutzhütte des Lungauer Alpenvereins.

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Die Wunden im Berg lassen den Wanderern, die sich ihren steinigen Weg auf 2100 Meter Höhe zur Franz-Fischer-Hütte bahnen, das Herz bluten. "Früher war das ein Wiesenweg, jetzt steigt man über grobe Felsbrocken", sagt ein Paar aus Deutschland, das hier regelmäßig wandern geht. Die Eingriffe in die Natur sind amtlich: Neben der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg beschäftigt sich auch das Salzburger Landesgericht seit einem Jahr mit der Causa.

Fronten sind verhärtet

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Die Fronten zwischen dem Eigentümer des 337 Hektar großen Grundstücks Marc-Eric Mullikas und dem Alpenverein sind verhärtet. Eine Klage jagt die nächste, aktuell klagt Mullikas auf Auflösung des Alpenvereins. "Wer sich selbst ,Anwalt der Natur‘ nennt und sie dann derart mit Füßen tritt, nimmt seine Statuten wohl nicht allzu ernst", erklärt er.

Sein Großvater hat das Almgrundstück vor 60 Jahren erworben und zur Pflege verpachtet. Mehrmals im Jahr ist der 44-jährige Industrielle, der in Hong Kong lebt und arbeitet, mit seiner Familie dort auf Urlaub. "Hinter seinem Rücken", so behauptet er, habe der Alpenverein auf seinem Grund teils irreparable Schäden verursacht. "Mein Großvater hat dem Alpenverein damals eine Parzelle geschenkt, damit sie dort eine Schutzhütte betreiben können. Gegen den Neubau habe ich nichts einzuwenden. Aber was da im Hintergrund passiert ist, ist schockierend", sagt er. Abgesehen davon, dass der Weg zur Hütte für die Baumaschinen unsachgemäß verbreitert und bei Schlechtwetter zu einer Sumpflandschaft wurde, treibt ihm der Einbau der Trinkwasserversorgung die Zornesfalten auf die Stirn.

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Seit den 1950er-Jahren hatte ein Schlauch Trinkwasser von der Bergquelle zur Hütte geführt. Dieser wurde im Vorjahr durch eine Leitung von etwa 50 Millimetern Durchmesser ausgetauscht – ohne nötige Genehmigung, was der Alpenverein auch als "Panne" eingesteht. Um die Leitung in den Boden einzulassen, wurde ein stellenweise bis zu zwei Meter breiter Korridor gesprengt bzw. aufgebaggert. "Warum muss man für einen Schlauch dieser Dicke gleich den Berg wegsprengen?", ist Mullikas fassungslos. In den Steillagen seien Rasenstücke und Geröll nachgerutscht – was für die Wanderer nicht ungefährlich war, betont er.
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Vor zwei Wochen sind die offenen Flächen mit Saatgut bestreut und mit Netzen abgedeckt worden, damit die Wiese nachwachsen kann. Alpenvereins-Obmann Wilhelm Esl beschwichtigt: "Ja, es ist ein bisserl ein Saustall da oben, aber das muss man in Kauf nehmen, wenn man baut." Von der Naturschutzbehörde hat der Verein den Auftrag zur Renaturierung bekommen. "Wir bemühen uns, alles wieder in Ordnung zu bringen und haben uns schon mehrmals entschuldigt. Eine Gesprächsbasis mit unserem Nachbarn gibt es aber leider nicht mehr", bedauert Esl.

Der Österreichische Alpenverein (ÖAV) ist mit 470.000 Mitgliedern in 195 Sektionen der größte alpine Verein Österreichs. Der ÖAV versteht sich als „Anwalt der Alpen“ und ist Pate vieler Nationalparks und anderer Schutzgebiete, so auch im Riedingtal in den Radstädter Tauern. Die Sektion Lungau hat laut Obmann Wilhelm Esl aktuell etwa 900 Mitglieder. Die Franz-Fischer-Hütte gibt es als Schutzhütte in 2100 Metern Höhe seit 1931. Im Vorjahr wurde sie abgerissen und an derselben Stelle neu gebaut. Sie bietet 38 Schlafplätze und eine Gaststätte. Der Neubau kostete etwa 700.000 Euro, die Hälfte wurde mit Steuergeld finanziert.