Hilferuf einer Alleinerzieherin mit einer behinderten Tochter
Von Uwe Mauch
Guten Morgen! Die Kamera, die sie im Schlafzimmer ihrer Tochter installiert hat, zeigt es an: Hannah ist wieder als Erste munter im Hause Kohlhauser, am Stadtrand von Wiener Neustadt. Draußen wird es auch heute noch länger dunkel sein.
Doch Beatrix Kohlhauser weiß, dass sie jetzt aus dem Bett muss: "Lachen, plaudern, gegen das Plexiglas ihres Betts schlagen: Bei Hannah ist alles möglich."
Allein zu zweit zu Hause
Hannah wird bald 16. Sie muss weiterhin gewickelt werden, Tag für Tag, Jahr für Jahr. Sie kam mit einem Mix an Benachteiligungen auf die Welt: mit Hydrocephalus e vacuo, täglich drei bis vier epileptischen Anfälle sowie Infantiler Zerebralparese.
"Mein Kind hatte einen so schlechten Start ins Leben, es verdient die bestmöglichen Rahmenbedingungen", betont die Alleinerzieherin. Nach dem frühen Tod ihres Mannes kümmert sie sich seit bald 16 Jahren - auf sich alleine gestellt - um ihre Tochter. Selbst spricht sie lieber von "Wir", von Mutter und Tochter.
Frühstück mag Hannah eher pikant, Mutter Beatrix füttert sie, weiß auch, wie sie mit ihr kommuniziert. Der Fingerzeig auf ein grünes Kärtchen bedeutet Zustimmung, das rote Kärtchen zeigt ein klares Nein an.
Nach dem Frühstück fahren die Beiden eine halbe Stunde lang mit dem Auto nach Baden. Dass die dortige Allgemeine Sonderschule gute Arbeit leistet, hat sich weit über die Grenzen des Bezirks Baden herumgesprochen.
Beatrix Kohlhauser und Hannah haben sich mit dem Wunsch nach finanzieller Hilfe für Therapien an die Stiftung Kindertraum gewandt.
Die Stiftung Kindertraum erfüllt seit 26 Jahren Kindern mit schweren Erkrankungen oder Behinderungen so genannte Kinderträume. Anfangs standen oftmals Treffen mit Stars oder Hubschrauberflüge auf der Wunschliste. Heute wird vor allem Unterstützung für Therapien und Hilfsmittel gebraucht, weil die öffentliche Hand nicht ausreichend unterstützt und viele Familien sich medizinische Notwendigkeiten alleine nicht mehr leisten können. Infos: kindertraum.at
Spenden: Sie können Hannah hier unterstützen, Spendenkonto: Stiftung Kindertraum, IBAN: AT10 6000 0000 9011 8500, Kennwort: Hannah
Sternzeichen Mutter
Beatrix Kohlhauserweiß sehr genau, was ihrer Hannah gut tut und was weniger. Sternzeichen Mutter: So geschafft von der täglich unbezahlten en Care-Arbeit kann sie gar nicht sein, dass sie nicht hellwach interveniert, wenn sie bemerkt, dass ihre Hannah irgendwo benachteiligt wird.
Deshalb hat Mutter Kohlhauser, im Aszendent wohl Kämpferin für die Rechte von Benachteiligten, vor vier Jahren den Verein U are Special gegründet. Ist Hannah in der Schule, engagiert sich Frau Kohlhauser für ihre 200 Mitglieder: "Die meisten von uns sind auf Ostösterreich verteilt."
Woher bekommen Eltern Geld, um ein 14.000 Euro teures Spezial-Bett anzuschaffen? Oder einen 4.800 Euro teuren Spezial-Duschstuhl, oder einen noch teureren Spezial-Rollstuhl, oder eine teure, aber wirkungsvolle Therapie? Beatrix Kohlhauser hat immer einen Rat parat.
Und woher nimmt sie die Energie dafür? Sie selbst erklärt sich das so: "Die Arbeit im Verein gibt mir viel. Ich merke, dass ich gebraucht werde, kann auch die mühsam gesammelte Erfahrung an andere weitergeben."
Das ist allerdings nur ein Teil der Erklärung. Beatrix Kohlhauser ist auch ein Mensch, bei dem das Glas immer halb voll ist. Sie erinnert sich an ihre Schwangerschaft, als ihr mitgeteilt wurde, dass sie ein behindertes Kind in sich trägt: "Ich habe drei Tage lang geweint, dann bin ich aufgestanden, um diese Herausforderung anzunehmen."
Wenn sie einmal nicht mehr ist
Und doch gibt es Momente, in denen die Beklemmung am Stadtrand von Wiener Neustadt die Oberhand gewinnt. Das ist immer dann, wenn im Leben einer Frau, die es sich nicht leisten kann, krank zu werden, diese Frage auftaucht: "Was wird sein, wenn ich einmal nicht mehr bin?"
Doch es wäre nicht Beatrix Kohlhauser, hätte sie nicht auch da einen konkreten Plan: "Perfekt wäre eine Intergenerationen-WG. Dort könnten sich die Eltern gegenseitig unterstützen. Und wenn einmal ein Vater oder eine Mutter stirbt, bleiben die Kinder nicht alleine auf der Strecke."
Interessenten dafür wären schnell gefunden. Bisher scheitert die Umsetzung jedoch am lieben Geld. "Dieses verdammte Geld", sagt Beatrix Kohlhauser zwischendurch. Das Geld fehlt für Hannah derzeit auch wieder einmal, um ihr eine weitere wirkungsvolle Therapie im slowakischen Kurort Piestany zu ermöglichen.
Ein Kindertraum geht in Erfüllung
An dieser Stelle gibt es eine gute Nachricht: Kurz vor Weihnachten läutet eine Mitarbeiterin der Stiftung Kindertraum an der Tür der Kohlhausers in Wiener Neustadt. Im Sommer hatte sich Beatrix Kohlhauser mit einem Hilferuf an den KURIER gewandt. Ihr Ruf wurde gehört.
Diana Gregor-Patera ist die Geschäftsführerin der Stiftung. Sie ist extra aus Wien angereist, um mitzuteilen, dass man sich dazu entschlossen hat, den Wunsch von Hannah zu erfüllen und die Kosten für eine zweiwöchige Therapie mit Spendengeldern zu finanzieren.
Hannah freut sich. Und wenn sie sich freut, dann ist das immer sehr berührend.