Handlungsbedarf am Schutzweg
Von Michael Berger
Der Schutzweg wird seinem Namen alles andere als gerecht. In den vergangenen zehn Jahren kamen 199 Fußgänger auf Österreichs Zebrastreifen nach Unfällen ums Leben. Macht im Schnitt knapp 20 getötete Fußgänger pro Jahr.
In einer aktuellen parlamentarischen Anfrage an Verkehrsministerin Doris Bures wollten mehrere Abgeordnete wissen, wie die Ressort-Chefin diesen enormen Blutzoll stoppen will. Bures verwies auf die Verkehrserziehung in Schulen, das österreichische Verkehrs-Sicherheitsprogramm 2011 bis 2020 sowie die laufenden Überprüfungen der ungeregelten Schutzwege auf technische Sicherheit. Weiters kündigte die Verkehrsministerin konkrete Maßnahmen an: "Die Statistik ist ein klarer Auftrag. Technische Innovationen können helfen, unsere Schutzwege sicherer zu machen."
So läuft auf dem ÖAMTC-Verkehrsübungsplatz in Teesdorf (NÖ) ein Pilotversuch. Vor einem Schutzweg wurden über die Fahrbahnbreite mehrere LED-Lampen in der Fahrbahn versenkt. Der Fußgängerübergang ist von den Kfz-Lenkern nicht mehr zu übersehen. "Sollte die Technologie Schutzwege sicherer machen, werden Richtlinien festgelegt, die Ländern, Gemeinden und Städten eine Umsetzung empfehlen", erklärte Ministeriums-Sprecherin Marianne Lackner. Noch im ersten Halbjahr 2014 sollen die ersten LED-Nachrüstungen starten. Auch plakative, rutschfeste Glasperlen-Anstriche könnten die Übergänge sicherer machen.
Kommunikationsdefizit
Verkehrsexperten gingen auf KURIER-Anfrage noch tiefer ins Detail. Tenor: Kernproblem bei der Schutzweg-Misere ist die mangelnde Kommunikation zwischen den Verkehrsteilnehmern. "Das beginnt schon bei der Verkehrserziehung in der Schule. Der Fußgänger hat auf einem Schutzweg keinen uneingeschränkten Vorrang. Die so wichtige Eigenverantwortung wird zu wenig transportiert", kritisiert ÖAMTC-Experte Martin Hoffer. Nach Gesetzeslage muss der Autofahrer die Absicht des Fußgängers erkennen können, den Schutzweg zu überqueren.
Jurist Armin Kaltenegger vom Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) glaubt, dass auch die Unterrichtsmittel in der Verkehrserziehung veraltet sind: "Hier muss nachgerüstet werden." Gleichzeitig kritisiert der Experte die "schlechte Anhaltemoral vor Schutzwegen." (Details siehe Interview).
ARBÖ-Sprecher Kurt Sabatnig fordert von Verkehrsministerin Bures "verstärkt Geld für die schwächsten Verkehrsteilnehmer lockerzumachen. Sicherheit muss auch etwas wert sein. Die LED-Technik ist ein guter Ansatz." Um alle heimischen Zebrastreifen (konkrete Zahlen gibt es nicht) damit auszurüsten, wären Millionen nötig. Sabatnig konkret: "Dafür könnte sich das Ministerium unnötige Maßnahmen, wie etwa die 80er-Beschränkung auf der Westautobahn bei Salzburg ersparen. Denn der Schilderwald dort kostet auch Geld."
Apropos Geld: Die Investitionen für LED-Technik bei Schutzwegen müssten Länder, Städte und Gemeinden tragen. Einige Ortschaften in OÖ, Salzburg, Tirol und dem Burgenland warteten nicht lange auf die Richtlinien des Bundes, sondern bauten die neue Technologie ganz einfach ein.
Armin Kaltenegger leitet die Rechtsabteilung im KfV. Er spricht von Handlungsbedarf bei der Schutzweg-Sicherheit.
KURIER: Warum kommt es gerade auf Schutzwegen zu so vielen Unfällen?
Armin Kaltenegger: Es gibt keine bindenden Kommunikationsregeln. Autolenker wie Fußgänger machen Fehler. Ohne Regeln erst recht.
Wie könnten solche Regeln aussehen?
Die Schweiz hat es mit eindeutigem Handzeichen des Fußgängers probiert. Hat aber auch nicht wirklich funktioniert. Pädagogen und Psychologen müssten hier Programme erarbeiten.
Wer ist auf dem Zebrastreifen besonders gefährdet?
Eindeutig Kinder und ältere Personen. Beide Gruppen sind unsicher und verwirren somit Autolenker.
Sie finden, dass die Lehrmittel im Verkehrsunterricht veraltet sind. Warum?Denken Sie nur an Elektroautos. Die hört der Passant dann nicht einmal mehr. Hier sind Unfälle programmiert. In Unterricht wird dieses Thema nicht erwähnt. Bei Fahrrädern ist das ähnlich.