Chronik/Österreich

Großes Geld mit falschen Pillen

Der Preis ist hoch: 12 bis 13 Euro kostet eine der bekannten blauen Pillen, die speziell in der Männerwelt gefragt sind, im Internet. Und das bewusst – denn das erweckt Seriosität. Doch: Ob wirklich drin ist, was versprochen wird, ist eine andere Frage. Potenzmittel werden häufig übers Internet bestellt. „Der Konsument glaubt, das Zeug ist original. Der Preis ist fast so hoch wie in der Apotheke“, sagt Franz Schwarzenbacher vom Bundeskriminalamt – er leitet das Referat für Arzneimittelfälschung und Doping. Doch eigentlich sind die Potenzmittel nur mit Rezept vom Arzt erhältlich. Aus gutem Grund.

Die Fälschungen, die im Internet bestellt werden können, haben oft ganz andere Inhaltsstoffe. „Einmal haben wir darin Farbe gefunden, die sonst eigentlich zur Kennzeichnung von Kurzparkzonen verwendet wird.“ Doch das schreckt die Konsumenten nicht ab. Der legale Weg – etwa mit Rezept vom Arzt – schreckt ab. Medikamenten-Fälschungen sind so gefragt wie nie.

Illegale Post

Vier Beamte kümmern sich im Bundeskriminalamt um die gefährlichen Fälschungen. Und je mehr Kontrollen – desto mehr Aufgriffe. Allein der Zoll fing im Vorjahr 33.404 Medikamenten-Plagiate ab. Denn oft kommt die Ware mit der Post aus dem Ausland, speziell aus Asien. Neben Potenzmitteln bei den Österreichern beliebt: Diätpillen, Haarwuchsmittel oder Krebspräparate. Um die Herkunft zu verschleiern, werden die Plagiate auch quer durch die Welt verschickt. Zum Beispiel über Singapur oder die Schweiz.

„Große Mengen werden auch per Lkw eingeführt. Die Ware wird falsch deklariert. Zuletzt etwa als Korrosionsschutzmittel“, erklärt der Kriminalist. Produziert wird in dubiosen Hinterhöfen in Untergrund-Laboren. Manchmal fehlen die Wirkstoffe komplett. In anderen Fällen sind sie in vielfacher Dosis enthalten. (siehe auch Interview unten)

Doch es geht auch einfacher. Oft reicht findigen Hobby-Chemikern auch ein simples Küchenlabor. Und derartige fanden sich auch schon in Österreich. In einer aufgelassenen Bäckerei im Waldviertel zum Beispiel.

Goldgrube

„Im Vergleich mit dem Suchtgifthandel ist das Geschäft sehr lukrativ“, sagt Schwarzenbacher. „Die Gewinnspanne beträgt 100 bis 300 Prozent.“ Die benötigten Rohsubstanzen werden kiloweise aus China verschickt. Die Fahnder sind den Fälschern auf der Spur. Mit Telefonüberwachungen, verdeckten Ermittlungen und im Internet, dem größten Feind. Einschlägige Homepages stehen ständig unter Beobachtung.

Die internationale Vernetzung funktioniert bei den Fälschern bestens. Aber auch die Ermittler sind den Hintermännern international auf der Spur. In der EU werden einheitliche Konzepte zur Bekämpfung ausgearbeitet.

Seit März 2013 drohen Herstellern und Schmugglern übrigens empfindliche Strafen. Rahmen: drei bis 15 Jahre Haft. Konsumenten und Besteller kommen mit einer Verwaltungsstrafe und einem Verfahren nach der Produktpiraterie-Verordnung davon. Und mit potenziellen gesundheitlichen Schäden.

Aufgegriffene Medikamenten-Fälschungen landen zur Untersuchung bei der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). Christoph Baumgärtel, Leiter der medizinischen Begutachtung, hat schon einige Überraschungen erlebt.

KURIER: Wie gefährlich sind die Medikamenten-Fälschungen aus dem Internet?
Christoph Baumgärtel: Da ist alles dabei. Manchmal ist gar kein Wirkstoff drin. Dann wieder 500 Prozent mehr als deklariert. Oder es sind andere Substanzen drin, die ähnlich wirken. Ein Beispiel ist Viagra. Da gibt es Fälschungen mit ähnlicher Wirkung. Nur wurde die Substanz nie erforscht. Das ist potenziell gefährlich. Sonst finden wir alle möglichen Verunreinigungen. Von Rattenkot, Straßenfarbe bis zu Zementstaub.

Bleiben wir bei Viagra. Das ist ja eigentlich rezeptpflichtig.
Ja. Weil es auch Nebenwirkungen hat, das kann nicht jeder nehmen. Es kann zu einem Kreislaufkollaps oder Herzinfarkt führen. Und wenn dann die Fälschung noch falsch dosiert ist ... das ist wie russisches Roulette.

Sind Todesfälle durch derartige Fälschungen bekannt?
Nicht in Österreich. Aber dass nichts dokumentiert ist, heißt nicht, dass es das bei uns nicht gab. Aber aus Deutschland ist ein tragischer Fall bekannt. Eine Schülerin hat illegale Diätpillen aus dem Internet genommen und ist gestorben. Sie hat tödlich hohes Fieber bekommen.

Was raten Sie den Patienten?
Arzneimittel immer aus der legalen Betriebskette beziehen. Also aus der Apotheke. Nur dort ist die Kontrolle gewährleistet.