Grazer Dschihadisten-Prozess: Ein Zeuge für zwei Verfahren
Im Grazer Straflandesgericht ist am Donnerstag der Prozess gegen den islamischen Prediger Mirsad O. und Mucharbek T. fortgesetzt worden. Der vierte Tag im Prozess hat mit einem ungewöhnlichen Auftritt begonnen: Ein Belastungszeuge erschien maskiert und streng bewacht. Er gab an, er habe T. bei Überfällen in Syrien gesehen. Aus praktischen Gründen wurde dann in der Pause ein zweiter Prozess fortgesetzt, bei dem der Zeuge ebenfalls benötigt wurde.
Zeuge mit schwarzer Gesichtsmaske
Der Mann, der im Zeugenschutzprogramm ist, erschien mit schwarzer Gesichtsmaske und in Begleitung von fünf - ebenfalls maskierten - Bewachern in Zivil. Der Tschetschene war bei der moderaten Freien Syrischen Armee (FSA) als Funker tätig gewesen und erzählte, was er in dieser Zeit beobachtet hatte. Seine Armee habe ab 2014 Probleme mit der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) bekommen. Damals hörte er zusammen mit einem Kollegen deren Funk mit und warnte seine Leute, doch "anfangs wurde uns kein Glauben geschenkt, deswegen hat es auch viele Opfer gegeben."
"Sie konnten sich in die Luft sprengen, wenn es Probleme gab"
Bei den Kämpfen gab es nach seinen Angaben einen besonders brutalen Kommandanten, Abu A., dessen "rechte Hand" der angeklagte Mucharbek T. gewesen sein soll. Die Kämpfer hätten Masken getragen "wenn sie töten gegangen sind", außerdem hatten alle einen Sprengstoffgürtel um. "Sie konnten sich in die Luft sprengen, wenn es Probleme gab. Sie tragen das alle."
Aus rund 150 Metern Entfernung hatte er ein grausames Massaker beobachtet, bei dem Abu A. mit seiner Truppe einen Ort überfiel. Frauen und Männer wurden in getrennte Häuser getrieben und gefangen gehalten. Als die syrische Armee anrückte, flüchtete die IS-Truppe. Die Frauen nahmen sie mit, die Männer "wurden alle mit dem Messer umgebracht, um Munition zu sparen." "Erstochen oder enthauptet?", fragte der Richter. "Enthauptet."
Schwangere wurden bestialisch getötet
"Haben Sie T. dabei gesehen?", wollte der Richter wissen. "Ja, mit dem Nachtsichtgerät", bestätigte der Zeuge. Dann schilderte er noch, wie drei schwangere Frauen, die beim Rückzug nicht mitgenommen wurden, bestialisch getötet worden waren. "Ich habe nur eine genau gesehen, da ist mir übel geworden." Der Richter wollte wissen, wie er T. einschätzen würde: "In Syrien war er ein brutaler Mensch", antwortete der Zeuge vorsichtig, betonte aber "Diese Gruppe war schrecklich, ich beginne zum Glück, einige Details zu vergessen.
Seine Angaben wurden auch noch im Prozess um sechs angeklagte Tschetschenen benötigt, der deswegen in der Mittagspause kurz eröffnet wurde. Bevor er wieder weggebracht wurde, ließ der Zeuge durchblicken, dass er um die Gefährlichkeit seiner Angaben durchaus Bescheid wisse: "Ich bin sicher, dass ich trotz des Zeugenschutzprogrammes getötet werde, aber ich habe keine Angst."