Chronik/Österreich

Graz: Anklage gegen zehn Mitglieder der "Identitären"

Zehn führende Vertreter der "Identitären Bewegung Österreich" (IBÖ) sowie sieben aktive Sympathisanten müssen wegen Verhetzung und krimineller Vereinigung, teils auch wegen Sachbeschädigung und Nötigung vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft Graz hat Anklage gegen sie erhoben. Das teilte die Behörde am Montag in einer Aussendung mit.

Den Angeklagten wird vorgeworfen, sich an der mutmaßliche kriminellen Vereinigung IBÖ als Mitglieder beteiligt zu haben, "indem sie im Rahmen der kriminellen Ausrichtung der Vereinigung strafbare Handlungen begingen oder indem sie die Vereinigung förderten. Angeklagt ist etwa die Verbreitung ihrer "radikalen, fremden- und islamfeindlichen Ideologie", der Verkauf von Propagandamaterial über das Internet und der eigens dafür errichtete Versandhandel, das Verwalten der daraus erzielten Einnahmen, die Finanzierung weiterer Aktionen, das Anwerben und Schulen von Mitgliedern sowie das Vorantreiben der Schaffung einer gesamt-europäischen "Identitären Bewegung" durch die laufende Zusammenarbeit mit Vertretern der in Deutschland, Frankreich, Schweiz und Italien tätigen Bewegungen zur Vereinheitlichung ihrer Ziele, Programme und Aktivitäten.

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Angst der Bevölkerung genutzt

Der Großteil der Beschuldigten soll bereits 2012 an der Gründung des "Vereins zur Erhaltung und Förderung der kulturellen Identität" beteiligt gewesen sein. Neben den registrierten Vereinsmitgliedern besteht die Bewegung auch aus einer Vielzahl an aktiv unterstützenden Sympathisanten. Finanziert wird die IBÖ zu einem großen Teil aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden. "Die Vertreter der IBÖ sehen die kulturelle europäische Identität durch Multikulturalismus, Liberalismus und Islamisierung bedroht. Die IBÖ und ihre Aktivisten streben die strikte Trennung der in Europa lebenden Völker an und lehnen die kulturelle 'Vermischung' der Ethnien ab", heißt es in der Aussendung der Staatsanwaltschaft.

Seit der Gründung der Bewegung in Österreich versuchten Vertreter der IBÖ ihre "fremdenfeindliche Ideologie durch provokante Aktionen, Internetauftritte, Demonstrationen, Stammtische, Plakatierungen sowie den Verkauf von Propagandamaterial über ein von zwei der Angeklagten im Jahr 2016 eigens dafür gegründetes Unternehmen (Versandhandel, Anm.) zu verbreiten". Dabei nützten sie die auch in der österreichischen Bevölkerung stetig zunehmende Angst vor radikal-islamistischen Terroranschlägen, um den Islam generell mit islamistischem Terror gleichzusetzen und jede in Österreich lebende, der muslimischen Bevölkerungsgruppe zuzuordnende Person als potenziell terroristisch darzustellen, erklärte der Ankläger.

Mit oft spektakulären Aktionen sei es den führenden Mitgliedern der IBÖ vor allem seit Jahresanfang 2016 gelungen, die Bekanntheit ihres Vereins zu steigern. Mit ihrem Versandhandel mit dem Verkauf von Kleidung wie Leibchen, Jacken und Hosen mit Uniform-Charakter, Buttons, Plakaten und Aufklebern, die das IBÖ-Zeichen oder IBÖ-Parolen als Logo tragen, sowie Büchern und Tonträgern sei ein "florierendes Unternehmen" aufgebaut worden. Mit den erzielten Erlösen der Gesellschaft erwirtschaften sich laut Anklage zwei der Beschuldigten nicht nur ein regelmäßiges Einkommen, sondern sie finanzierten damit auch zum Teil die Aktionen der IBÖ, um dadurch den Umsatz ihres Unternehmens weiter anzukurbeln.

Mehrere Aktionen thematisiert

  In der Anklage werden mehrere der Aktionen der IBÖ thematisiert - etwa jene im April 2016 am Dach des Hauses der steirischen Grünen oder eine Störaktion in der Uni Klagenfurt im Juni 2016. Von ihren "Auftritten" hatte die IBÖ mehrmals auch Propagandafilme gemacht und ins Internet gestellt.

   Ziel dieser Aktionen und öffentlichkeitswirksam betriebenen Propaganda der führenden Vertreter der IBÖ sei es, "zu Hass gegen die Religionsgesellschaft des Islam, gegen Muslime, Ausländer und Flüchtlinge und insbesondere auch türkische Staatsangehörige aufzustacheln, und diese Gruppen durch Beschimpfungen in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen und herabzusetzen", so die Staatsanwaltschaft Graz. Das entspreche dem Vorwurf der Verhetzung. Die Behörde geht davon aus, dass es sich bei der IBÖ um eine kriminelle Vereinigung handelt, die darauf ausgerichtet ist, dass von ihren Mitgliedern Verhetzungen und Sachbeschädigungen begangen werden.

Grüne kritisieren FPÖ-Gemeinderat 

Am Rande der Causa ist einmal mehr der Grazer FPÖ-Gemeinderat Heinrich Sickl in die Kritik geraten. Der Sohn der ehemaligen Ministerin Elisabeth Sickl hat laut einer Aussendung der grünen Stadträtin Tina Wirnsberger eine Räumlichkeit an den "Verein zur Erhaltung und Förderung der kulturellen Identität" vermietet - einige der Gründungsmitglieder des Vereins sind nun angeklagt. Außerdem soll er Medienberichten zufolge in der Vergangenheit an Identitären-Demos teilgenommen haben. „Sickls Aktivitäten für die Identitären sind mit dem Amt des Gemeinderats unvereinbar“, sagt die Stadträtin Wirnsberger in der Aussendung. Darauf habe man bereits vor der Angelobung Sickls hingewiesen. Die Grünen waren vor der Angelobung Anfang Februar im Protest aus dem Stadtparlament ausgezogen.

Gegenüber dem KURIER war Sickl zu keiner Stellungnahme bereit. "Aussendungen von den Grünen und der Frau Wirnsberger kommentierte ich überhaupt nicht", sagt Sickl. 

Freisprüche zur Audimax-Störaktion

Während die Staatsanwaltschaft Graz Anklage erhoben hat, sind in einer anderen Causa nun Freisprüche rechtskräftig: Es geht dabei um die Störaktion bei einer Aufführung von Elfriede Jelineks "Schutzbefohlenen" im Audimax der Uni Wien. Die Staatsanwaltschaft habe ihre Berufung zurückgezogen, hieß es am Montag in einer Aussendung der ÖH Uni Wien. Der Vorwurf hatte auf Körperverletzung sowie Störung einer Versammlung gelautet. Im März hatte es dazu Freisprüche am Bezirksgericht Baden gegeben.

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Lena Köhler (GRAS) vom Vorsitzteam der ÖH Uni Wien bezeichnete den Umgang von Behörden und Justiz mit Rechtsextremismus als frustrierend. "Fest steht: Die Aktionen der 'Identitären' sind menschenverachtend und ihre Ideologie faschistisch - mit oder ohne Urteil", ergänzte ihre Kollegin Magdalena Taxenbacher (KSV-LiLi).