Chronik/Österreich

Gemeinden lassen Unternehmen Pleite gehen: 700 Mitarbeiter betroffen

Wochenlang wurde in der Tiroler Politik um die Sanierung der GemNova gerungen. Das Dienstleistungsunternehmens des Tiroler Gemeindeverbandes ist insolvent und mit 8,5 Millionen Euro verschuldet.

Am Montag ist die Rettung des Unternehmens bei einem Bürgermeistertreffen gescheitert. Dafür hätten sich 90 Prozent der 276 Ortchefs für die Anhebung der Mitgliedsbeiträge um 1,1 Millionen Euro aussprechen müssen.

Die GemNova hat über eine Tochter, den "Bildungspool Tirol", den Gemeinden Personal für Freizeitbetreuung und Schulassistenz in der schulischen Betreuung, Hort- und Ferienbetreuung sowie Sprachberatung in Kinderbildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen bereitgestellt.

Bei letzterer sei die Situation „besonders dramatisch“, da allein dort knapp 600 Dienstnehmer beschäftigt sind, erklärte Klaus Schaller vom Kreditschutzverband (KSV) 1870 zu den Folgen der gescheiterten Rettung. Insgesamt sind von der Pleite 700 Mitarbeiter betroffen.

Land will Personal großteils übernehmen

Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) kündigte an, dass das Land „einem Großteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bildungspool Tirol GmbH ein Angebot für einen gleichwertigen Arbeitsplatz machen“ werde. Für alle anderen Mitarbeiter werde das Land einen Sozialplan anregen, den man unterstützen werde, „sodass die gesamte Belegschaft möglichst weich 'fällt'“.

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Der Kreditschutzverband ging davon aus, dass der Insolvenzvertreter nun Haftungen der GemNova-Geschäftsführung, des Tiroler Gemeindeverbandes und „der - dem Tiroler Gemeindeverband nahestehenden - Rechtsträger (Tiroler Gemeinden) geltend“ machen werde. Der Kreditschutzverband rechnete daher mit einer „Vielzahl an Zivilprozessen in den nächsten Monaten“.

„In den kommenden Tagen erwarten wir, dass für weitere Gesellschaften der GemNova-Gruppe Anträge auf Eröffnung von Konkursverfahren beim Landesgericht Innsbruck gestellt werden“, berichtete Schaller vom KSV1870: „Eine längerfristige Fortführung dieser Gesellschaften ist mangels vorhandener Kapital- und Liquiditätsausstattung nicht wahrscheinlich“.

„Die Entscheidung war in den Händen der Gemeinden als Mitglieder des Tiroler Gemeindeverbandes“, beurteilte indes Landeshauptmann Mattle auf APA-Anfrage die Lage. Das Land habe sich „mehr eingebracht, als es müsste, weil uns die Unterstützung der Gemeinden und die Zukunft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der GemNova am Herzen liegen“, so Mattle in Anspielung auf jene 1,5 Millionen Euro, die das Land dem Unternehmen - unter Bedingungen - zur Verfügung stellen wollte.

"Kapitel GemNova geschlossen"

Mit der Entscheidung des Gemeindeverbandes sei „das Kapitel GemNova für das Land geschlossen.“ Man werde sich jedenfalls „in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern“, versprach der Landeschef.

Die Abstimmung bei der Bürgermeisterkonferenz in Zirl zur Rettung der GemNova an sich habe letztlich gar nicht stattgefunden, da das Quorum von 90 Prozent hinsichtlich der Anwesenheit gar nicht erreicht wurde, berichtete unterdessen Gemeindeverbands-Präsident Ernst Schöpf (ÖVP) im APA-Gespräch.

Am späten Vormittag waren nämlich nur 219 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister anwesend, rund 20 schalteten sich danach noch online hinzu, was letztlich nicht reichte. Die vom Land zuletzt eingeforderte Zustimmung von 90 Prozent sei ohnehin „verdammt ehrgeizig“ gewesen, so Schöpf.

Gemeindeverbandspräsident zieht sich zurück

Die GemNova sei damit jedenfalls Geschichte, eine Insolvenzgefahr auch für den Gemeindeverband an sich sah das ÖVP-Urgestein jedoch nicht. Schöpf kündigte gleichzeitig an, bei der anstehenden Neuwahl im Verband im Herbst nicht mehr kandidieren zu wollen. Der Verband werde sich personell neu aufstellen, eine Neugründung oder dergleichen brauche es jedoch nicht, zeigte sich der Söldener Bürgermeister überzeugt.

Und dann setzte Schöpf zu einer heftigen Abrechnung mit seinen Kritikern im Verband an. „Mein Bedarf an Hinterfotzigkeit, Intrigen und Vertrauensbruch ist nachhaltig gestillt. Für mein gesamtes restliches Leben“, erklärte das ÖVP-Urgestein, das den Verband seit 2009 führte.

Angesprochen auf einen Kritiker, seinen Vizepräsidenten und Telfer Bürgermeister Christian Härting (ÖVP), meinte Schöpf: „Der Schöpf Ernst muss nicht Präsident sein. Aber Härting darf es nicht werden. Diesen Charakter habe ich ausreichend kennengelernt.“

"Ich mache mich vom Acker"

Er konzentriere sich fortan ausschließlich auf den Bürgermeisterposten in Sölden, den er seit über 30 Jahren innehat, so Schöpf, der in den vergangenen Jahrzehnten zu den prägenden Politikern der Tiroler ÖVP gehört hatte. „Ich mache mich vom Acker“, meinte der scheidende Gemeindeverbandsobmann.

Die GemNova hatte sich zuletzt in einem gerichtlichen Sanierungsverfahren befunden, die Passiva dürften sich für die gesamte GemNova-Gruppe laut KSV auf 8,5 Mio. Euro belaufen. 115 Gläubiger hatten in der Causa rund 6,7 Millionen Euro an Verbindlichkeiten angemeldet, davon wurden aktuell 5,4 Millionen Euro durch den Sanierungsverwalter anerkannt.

Zuletzt votierte der Tiroler Landtag - nach einem Beschluss der schwarz-roten Landesregierung - mehrheitlich für einen Zuschuss von 1,5 Millionen Euro unter Bedingungen. Zudem sollte das Land für einen Entschuldungskredit des Gemeindeverbandes in Höhe von 5,2 Millionen Euro die Ausfallhaftung übernehmen.

Politische Reaktionen

Dies ist mit der Entscheidung auf dem außerordentlichen Gemeindetag nunmehr hinfällig. Das Dienstleistungsunternehmen mit mehreren hundert Mitarbeitern sollte durch die Erbringung von Services sowie Dienstleistungen die Gemeinden entlasten.

Die Entwicklungen am Montag führten indes zu einigen weiteren politischen Reaktionen.

Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger forderte etwa den „sofortigen Rücktritt des gesamten Vorstandes des Tiroler Gemeindeverbandes.“ Abwerzger zeigte sich „schockiert“. „Was als gute Idee begonnen hat, wurde von Politgranden zerstört“, so der FPÖ-Chef mit seiner Version der GemNova-Geschichte. Neben persönlichen Konsequenzen brauche es nun einen Sozialplan für die Mitarbeiter.

„Alternativen für die Beschäftigten, Konsequenzen für die Verantwortlichen“ - so lautete die Forderung von Grünen-Chef und Klubobmann Gebi Mair. „An Dingen, die nicht zu retten sind, soll man nicht festhalten“, kommentierte Mair. Dieses Ergebnis hätte man allerdings auch schon früher haben können. „Nun wird zu prüfen sein, ob Konkursverschleppung vorliegt und wer aller daran beteiligt war“, verlangte der Grünen-Chef.

NEOS-Landessprecher Dominik Oberhofer mahnte ein, dass die Bildungspool GmbH sofort in die Bildungsdirektion des Landes eingegliedert werden müsse, um die Beschäftigten aufzufangen. Mit der Insolvenz der GemNova sei das eingetreten, „was die NEOS schon seit Langem prognostiziert haben.“ „Die GmbH schlittert ohne Vorbereitung und ohne Plan in die Insolvenz und die Mitarbeiter:innen müssen die Unfähigkeiten ausbaden und die Konsequenzen tragen“, meinte Oberhofer.

Die Liste Fritz nannte die Causa GemNova ein „Millionendebakel für die ÖVP und eine krachende Niederlage für Landeshauptmann Mattle“. Der Landeshauptmann habe „bis zuletzt mit dem Steuergeld der Tiroler“ die GemNova auffangen wollen. „Wir als Liste Fritz wollten das nicht und die Bürgermeister der Tiroler Gemeinden wollten das offensichtlich auch nicht“, meinte Klubobmann Markus Sint in einer Aussendung.

Es bleibe ein „finanzieller und politischer Scherbenhaufen“, der noch im Detail aufzuarbeiten sein werde, sah Sint eine noch offene Verantwortung bzw. Haftung für die Pleite.