"Muslime gehören besser geschützt"
Von Bernhard Ichner
Der Wien-Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan, die Diskussionen um eine geplante Islam-Schule in Simmering und um Türkisch als Maturafach oder das von der FPÖ geforderte Burka-Verbot. In letzter Zeit rückten Österreichs Muslime oft in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Der KURIER sprach mit dem Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Fuat Sanac, über die brisantesten Themen.
KURIER: Vor Kurzem erklärte der EuGH das französische Burka-Verbot für rechtens. Im Nationalrat wurde das von der FPÖ geforderte Verbot am Donnerstag aber abgelehnt. Wie beurteilen Sie die aktuelle Debatte?
Fuat Sanac: In Österreich gibt es dieses Problem nicht, darum macht eine Diskussion darüber auch keinen Sinn. Wichtiger als ein Verbot wäre Aufklärung – auch in der islamischen Community.
Im Vorfeld der Burka-Abstimmung sorgte der türkischstämmige grüne Bundesrat Efgani Dönmez einmal mehr für Aufregung, als er meinte, Burka-Trägerinnen sollten keine Sozialleistungen erhalten. Schadet er mit solchen Aussagen der islamischen Gemeinde?
Solche Aussagen schaden der gesamten Gesellschaft, weil sie für Unruhe sorgen. Jeder darf seine Meinung haben, aber sie darf nicht aufhetzend sein.
Bleiben wir beim Erscheinungsbild vieler Musliminnen: Dem KURIER erzählten Frauen, sie würden am Arbeitsmarkt, in der Ausbildung oder bei Behördengängen wegen ihres Kopftuchs diskriminiert. Reicht das Antidiskriminierungsgesetz nicht aus?
Viele Türken in Österreich meinen, es reiche nicht, sich hier zu integrieren – die Sprache zu können, zu arbeiten, Steuern zu zahlen –, sondern man erwarte von ihnen darüber hinaus noch, dass sie ihre Kultur bzw. Religion verleugnen. Können Sie diesen Assimilierungsdruck bestätigen?
Nein. Einzelne mögen sich das wünschen, aber ich lebe seit über 30 Jahren in Österreich (Sanac stammt aus Elazig in der Türkei; Anm.) und hatte nie das Gefühl, dass die Allgemeinheit von mir erwartet, dass ich meine Religion verleugne. Österreich hat ja eine lange Geschichte der Vielfalt – und genießt dafür Ansehen in der ganzen Welt.
Sie sehen in Österreich also wenig Islam-Feindlichkeit?
Es gibt natürlich Menschen, die uns gegenüber feindselig eingestellt sind; die uns mit Hass oder Neid begegnen. Das muss man überwinden. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass sich Probleme durch Dialog lösen lassen – sofern beide Seiten eine gute Absicht haben und der Dialog auf Augenhöhe stattfindet. Wenn wir erklären, wer wir sind, wird man das verstehen. Darum bemühen wir uns um Information und Transparenz – etwa durch Treffen mit anderen Religionsgemeinschaften, durch Moschee-Führungen oder durch Imam-Ausbildungen in Österreich.
Apropos: Die Bundesregierung will ja die Imam-Ausbildung in Österreich. Dennoch sprach sich VP-Außenminister Sebastian Kurz gegen die geplante Prediger-Schule in Simmering aus. Verstehen Sie das?
Ich glaube da an ein Missverständnis: Diese Schule bedeutet ja nicht automatisch die Ausbildung zum Imam. Aber die Menschen haben das Bedürfnis, ihre Religion richtig aus den Quellen zu lernen. Wenn man ihnen nicht erlaubt, den Koran offiziell in Schulen zu lernen, dann lernen sie heimlich im Keller – dann hat jeder seinen eigenen Islam. Das kann dazu führen, dass die Leute nicht nur sich selber schaden, sondern auch anderen. Es kann Anlass dafür sein, dass Menschen radikal werden. Das ist sehr gefährlich. Wenn die Schule unter der Kontrolle des Staates ist, sehe ich kein Problem. Ich bin dafür, dass wir das gemeinsam gestalten. Herr Minister Kurz und ich sind noch unterschiedlicher Meinung. Aber wir werden uns an einen Tisch setzen und gemeinsam nach einer Lösung suchen.
Es geht nicht um Selbstbewusstsein. Man kann bloß in allen möglichen Sprachen maturieren – bloß nicht auf Türkisch. Warum nicht? Wem schadet das? Es würde Deutsch ja nicht ersetzen.
Zuletzt sorgte der Erdogan-Besuch für Schlagzeilen. Hat er den Türken in Österreich genützt oder geschadet?
Weder noch. Aber es wurden Fehler gemacht. Der Gastgeber (die UETD) hätte Erdogan viel früher einladen und den Besuch besser organisieren müssen. Auch die Kommunikation nach außen war sehr mangelhaft. Man hätte alles einfacher machen können – denn die Österreicher sind sehr gastfreundlich.
Das Diskussionsforum musste wegen einer unsachlichen Debatte gesperrt werden.
Respektlose Bemerkungen auf der Straße oder in der U-Bahn sind noch das Mindeste. Immer öfter klagen muslimische Frauen, die aus Überzeugung ein Kopftuch tragen, über Diskriminierungen. Etwa am Arbeitsmarkt, bei Behördengängen oder im Spital. Dort werde man als deutlich erkennbare Muslimin energischer oder auch ungeduldiger behandelt als andere Frauen. Der KURIER sprach mit jungen Musliminnen über ihre Erfahrungen.
Die türkischstämmige Juristin H. C. (24) wird vor allem auf dem Arbeitsmarkt oft mit der Problematik konfrontiert. „In vielen Firmen müssen Musliminnen ihr Kopftuch ablegen – obwohl das gegen das Gleichbehandlungsgesetz verstößt. Wir empfehlen diesen Frauen immer, sich an die Arbeiterkammer oder die Gleichbehandlungskommission zu wenden.“
C. selbst bewarb sich neben der Schule für eine Stelle als Verkäuferin, wurde aber wegen des Kopftuches nicht genommen. „Das Problem ist, dass man das schwer beweisen kann. Der Grund wird nicht offen ausgesprochen, es werden andere Gründe vorgeschoben.“
Die Diskriminierung beginne aber schon früher. In der Schule zum Beispiel. „Dort müssen Mädchen mit Kopftuch doppelt so gut sein wie andere, um genauso gute Noten zu bekommen.“
Probleme bei der Jobsuche hatte auch Pharmaziestudentin Saly A., die im Irak geboren wurde. „Ich habe im 16. Bezirk um einen Aushilfsjob in einer Apotheke angefragt. Dort hätte man es aber zur Bedingung gemacht, dass ich mein Kopftuch ablege. Das kam für mich nicht infrage.“ Den Standpunkt mancher Arbeitgeber kann die 22-Jährige nicht nachvollziehen: „Das ist doch paradox. Zuerst wird man hier in Österreich top ausgebildet – und dann wird man abgelehnt, weil man ein Kopftuch trägt. Das ist doch ein Schuss ins eigene Knie.“ Info: www.gleichbehandlungsanwaltschaft.at
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