Chronik/Österreich

Freizeitwohnungen als Feindbilder

Horrende Grundstückspreise, kaum leistbare Bauplätze für Einheimische: Viele Tourismusgemeinden in Salzburg klagen seit Jahren über dieses Problem. Das knappe Bauland geht oftmals zu Wucherpreisen an ausländische Investoren, für die ansässige Bevölkerung ist dagegen kaum erschwinglicher Wohnraum vorhanden. In Zell am See etwa sind laut Stadtgemeinde rund 400 Menschen auf Wohnungssuche, während es viele illegale Leerstände gibt.

Das Land will daher die Notbremse ziehen. 2017 soll das neue Raumordnungsgesetz in Kraft treten, in dem Zweitwohnsitze geregelt sind (siehe Nachgefragt). Binnen eines Jahres müssen bisher illegale Zweitwohnsitze gemeldet werden, ansonsten drohen Verwaltungsstrafverfahren bis hin zu Zwangsversteigerungen. Als Zweitwohnsitz verwendete Immobilien sollen künftig auch nicht mehr als solche verkauft oder vererbt werden dürfen – außer es wird darin ein Hauptwohnsitz angemeldet. Zur bisher jährlich zu entrichtenden sogenannten besonderen Ortstaxe ist ein Aufschlag von 30 Prozent vorgesehen.

Detektiv engagiert

Die Stadtgemeinde Zell am See hat schon vor Monaten die Jagd auf illegale Zweitwohnsitze eröffnet. Bürgermeister Peter Padourek (ÖVP) engagierte dafür eigens einen Privatdetektiv. 18 Anzeigen seien bisher bei der Bezirkshauptmannschaft (BH) erstattet worden, meint Padourek. Eine davon betrifft Sabine und Herbert A. (Namen von der Redaktion geändert).

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Die Verwunderung beim Ehepaar aus Niederösterreich war groß, als der Brief ins Haus flatterte. Seit mehr als eineinhalb Jahren ist der Traum von der eigenen Wohnung in den Salzburger Bergen Realität. Von ihrem Balkon im zweiten Stock blickt Sabine A. über den Ortsteil Schüttdorf, auf das nebelverhangene Imbachhorn und den Zeller See. Die Wohnung dient als Zweitwohnsitz. Dafür zahlt das Ehepaar die besondere Ortstaxe – für die 100 Quadratmeter große Wohnung 486 Euro im Jahr.

Im Gebäude gibt es 14 Wohnungen. Vier davon gehören einheimischen Familien, eine weitere einer aus Niederösterreich. Die verbleibenden Unterkünfte gehören laut Frau A. EU-Ausländern. So wie die benachbarte Wohnung. Diese ist offenbar länger nicht genutzt worden. Die Jalousien sind herabgelassen. Aus den Fugen der Bodenplatten am Balkon wachsen zentimeterhoch Gräser. "Ich verstehe nicht, warum gegen Österreicher, die eine Wohnung in einem anderem Bundesland besitzen, so vorgegangen wird", klagt sie.

"Stasi-Methoden"

Die Fotos des Detektivs vom leeren Parkplatz und vom Kellerabteil samt Skiausrüstung, die beweisen sollen, dass es sich um einen illegalen Freizeitwohnsitz handelt, schockieren Sabine A. Selbst die Wohnungstür sei gekennzeichnet worden, um festzustellen, wie oft ein- und ausgegangen worden war. "Ich empfinde das als Eingriff in die Privatsphäre. Das sind Stasi-Methoden", sagt sie. Frau A. bemängelt, nur einen Haupt- oder Zweitwohnsitz melden zu dürfen. Sie sieht ihre Situation allerdings dazwischen: "Wir richten uns hier so ein, dass wir step-by-step bis zur Pension unseren Hauptwohnsitz hierher verlegen."

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Rechtsanwalt Siegfried Kainz, der Familie A. vertritt, ortet eine Besitzstörung durch den Detektiv. Außerdem werde die Wohnung vom Ehepaar auch als Arbeitsplatz verwendet – das verbietet das Gesetz nicht. Kainz kritisiert, dass es in Zell am See keine Zweitwohnsitzgebiete gebe, wie etwa in Maria Alm. "Die Gesetzgebung des Landes kennt nur schwarz oder weiß. Es muss Möglichkeiten für ein Miteinander geben."

Kritik, die am Bürgermeister abperlt. Im konkreten Fall befindet sich die Wohnung im "erweiteren Wohngebiet" – Zweitwohnungen sind darin untersagt. Als Bürgermeister sei er verpflichtet, das Landesgesetz zu vollziehen. "In der Realität hebeln aber gute Immobilienmakler und Rechtsanwälte das Gesetz im Nullkommanichts aus", beschwert sich Padourek. An den Kontrollen hält er fest: 2018 soll die neu eingeführte Stadtpolizei die Aufgaben des Detektivs übernehmen.

Als Zweitwohnungen gelten jene Unterkünfte, in denen der "Aufenthalt während des Urlaubs, des Wochenendes oder sonstigen Freizeitzwecken erfolgt". Die Verwendung als Zweitwohnung ist nur in dafür gewidmeten Gebieten zulässig. Wegen vieler Ausnahmen und Unklarheiten gilt das Gesetz unter Experten als "verunglückt". Gemeinden kritisieren die mangelnde Exekutierbarkeit: Die Kommunen müssen selbst Beweise dafür liefern, wenn Verdacht auf widerrechtliche Nutzung besteht. In der Praxis ist das äußerst schwierig.

KURIER: Wie viele illegale Zweitwohnungen, schätzen Sie, gibt es im Bundesland Salzburg?

In Salzburg gibt es rund 260.000 Wohnungen. Davon entfällt rund ein Viertel (65.000, Anm.) auf Zweitwohnungen. 40.000 davon sind illegale Leerstände – sie werden als Ferienwohnungen genutzt. Der Großteil befindet sich im Pinzgau, im Pongau und in der Stadt Salzburg.

Wie beurteilen Sie die vorgestellten Eckpunkte zum neuen Raumordnungsgesetz bezüglich der Zweitwohnsitze?

Diese Novellierungsbestrebungen kann man nicht ernst nehmen. Das ist eine reine Anlassgesetzgebung, um die Bürgermeister vorerst zu beruhigen. Die Zweitwohnsitze werden nach wie vor genutzt werden. Zwar legal, aber die Grundstückspreise steigen trotzdem weiter. Diese geplante Gesetzesänderung wäre außerdem verfassungswidrig. Sie würde gegen das Eigentumsrecht und die Kapitalverkehrsfreiheit verstoßen.

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Wie könnte das Problem am ehesten gelöst werden?

Ich habe mehrmals die Lösung in Kärnten als Beispiel genannt. Dort gibt es eine Zweitwohnsitzabgabe. Durchschnittlich sind das rund 600 Euro pro Jahr und Wohnung. In Salzburg müsste die Abgabe wegen der bestehenden Immobilienpreise höher sein.

Wie viel könnten Land und Gemeinden dadurch einnehmen?

Wenn 20 Euro pro Jahr und Quadratmeter verlangt würden, wären das bei einer durchschnittlichen Wohnungsgröße von 60 Quadratmetern 1200 Euro. Bei 40.000 – bisher illegalen – Zweitwohnungen würde das Mehreinnahmen von 48 Millionen Euro bringen. Geld, das Land und Gemeinden in die Infrastruktur stecken könnten.

Wie erklären Sie es sich dann, dass die Politik keine Abgabe in die Novelle miteinbezieht?

Ein Blick ins Grundbuch zeigt, dass einige Mitglieder des Landtags und der Landesregierung oder ihre Familien ebenfalls Zweitwohnungen etwa in Zell am See, Saalbach-Hinterglemm, Flachau oder St. Gilgen besitzen. Damit wird die bisherige Ablehnung meiner Anregung auf erhöhte Besteuerung von Zweitwohnungen verständlich.