Chronik/Österreich

Finanz wartet auf der Raststation

Die beiden Finanzpolizisten patrouillieren auf der A1. In ihrem silbernen Auto fahren sie langsam auf der rechten Spur – gleich hinter ein paar Lkw. Sie haben es nicht eilig. Ihre Kunden kommen von selbst. So wie der Jaguar mit rumänischem Kennzeichen, der mit 150 km/h vorbeizieht. „Den schauen wir uns an“: Die Fahnder nehmen die Verfolgung auf. Als sie auf gleicher Höhe sind, beginnt das Blaulicht zu flirren, der Beifahrer zeigt die Anhaltekelle. Im Heck fährt die Anzeigetafel herunter: „Finanzpolizei. Bitte folgen.“ Damit es zu keinen Missverständnissen kommt, scheint diese Anzeige in mehreren Sprachen auf.

Unterstützung

Der Weg zur Raststation Strengberg ist nicht weit. Doch keine Sekunde wird das nachfahrende Nobelfahrzeug aus den Augen gelassen. „Wenn der aufs Gas steigt, ist der weg. Dem brauchen wir nicht nachfahren“, sagt ein Finanzpolizist nüchtern. Muss er auch nicht. Denn das Kennzeichen ist bereits notiert. Im Notfall würden die alarmierten Kollegen der „echten“ Polizei helfen.

Der Jaguar wird bereits erwartet. „Der glaubt wahrscheinlich, dass wir ihn wegen Schnellfahrens aufgehalten haben.“ Doch das Tempo interessiert die bereitstehenden Beamten in den gelben Warnwesten nicht. Sie sind auf der Suche nach NoVA-Sündern – also Abgaben-Hinterziehern. Fünf Bürobusse warten darauf, in Anspruch genommen zu werden. Die Kontrolle in Strengberg ist nur der Auftakt zu einer Schwerpunkt-Aktion in Niederösterreich und dem Burgenland, die bis März läuft.

Koordinator Michael Aigner hat Dutzende Kollegen im Einsatz. Die braucht er auch. Denn die Kollegen von der Streife bringen laufend neue Fahrzeuge zur Raststation. „Wir suchen uns gezielt die mittel- und hochpreisigen Fahrzeuge mit ausländischen Kennzeichen heraus“, erklärt er. Denn nur in diesem Segment zahlt es sich aus, die NoVA (Normverbrauchsabgabe) zu sparen. Ein sicheres Indiz: Ausländisches Kennzeichen, kombiniert mit einer österreichischen Jahresvignette oder einem Parkpickerl. Und genau das sieht Aigner zufällig auf dem Parkplatz vor der Raststation. Ein schwarzer Audi Q7 hat sich eingeparkt – und bekommt schon Besuch. Eine schnelle Kontrolle der Meldedaten ergibt: Der deutsche Fahrer hat in Wien seinen Hauptwohnsitz gemeldet und hier auch eine Firma. Die Kon¬trolle behagt ihm gar nicht. „Die Behörden sind ein Wahnsinn“, ärgert er sich. „Was ist denn der Unterschied zwischen einem Haupt- und einem Nebenwohnsitz?“ Unwissenheit schützt nicht.

Ein Volvo-Fahrer, ebenfalls mit deutschem Kenn¬zeichen unterwegs, wohnt mit seiner Familie in Niederösterreich. „Das ist ein Firmenwagen“, erklärt er. Doch die Firma hat eine Außen¬stelle in Österreich – das Argument gilt nicht. Einen Rastplatz weiter sind Zoll und Polizei im Einsatz – sie kontrollieren 26 Lkw und 21 Pkw. Bilanz der Freitagskontrolle: 51 angehaltene Fahrzeuge. Zehn davon waren ein Treffer. Zuspruch gibt es von einem Passanten: „Gut, so!“

Finanzbetrug

Laut Schätzungen des Finanzministeriums sind rund 15.000 Fahrzeuge mit ausländischen Kennzeichen in Verwendung, die eigentlich in Österreich zugelassen sein müssten. Dadurch entgehen dem Fiskus 100 Millionen €. Von Jänner bis September des heurigen Jahres wurden 12.300 Fahrzeuge überprüft, 4400 erwiesen sich als Treffer. Abgabenforderung: 42,6 Mio. €.