Chronik/Österreich

Eklat um geheime Kampusch-Videos

Peter Reichard wollte mit den Gerüchten und Verschwörungstheorien rund um den Fall Natascha Kampusch aufräumen. Gestern veröffentlichte der deutsche Ex-Kripo-Beamte und Autor ein Buch mit seinen Ergebnissen aus zehn Jahren Recherche. Der Schuss ging wohl nach hinten los.

Die Protagonistin des Buches "Der Entführungsfall Natascha Kampusch – Die ganze beschämende Wahrheit" ist nämlich nicht damit einverstanden, dass Reichard anhand von Videoprotokollen die letzten Geheimnisse aus ihrer Gefangenschaft ausplaudert, sagt ihr Anwalt Gerald Ganzger: "Sie hat ihre Zustimmung nicht gegeben und ist sehr enttäuscht. Das ist eine glatte Verletzung ihrer Privatsphäre." Er werde das Buch lesen und dann rechtliche Schritte überlegen.

Privatsphäre verletzt: Klage?

Autor Reichard und Kampusch kennen einander schon länger. Nach seinem Ausstieg bei der Hamburger Polizei hat er sich mit seiner Frau in die Recherchen gestürzt und mit ihr und ihrer Familie gesprochen. Es gelang ihm, sich das Verlies in Wolfgang Priklopils Haus in Strasshof, NÖ anzusehen, in dem Kampusch von der Entführung am 2. März 1998 bis zu ihrer Flucht am 26. August 2006 hausen musste.

Wie am Sonntag bekannt wurde, hat der Entführer zuhause Videos von seinem Opfer gemacht. Diese werden im Buch beschrieben. So sei etwa zu sehen, wie Priklopil das unterernährte Mädchen zu Sportübungen und Hausarbeit zwingt, wie sie unter seiner Aufsicht essen und Freude über seine Geschenke heucheln muss. "Demütig gehorchen. Immer lieb sein. Immer lieb gehorchen", hört man den "Gebieter" zu seiner "Sklavin" sagen.

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Kampusch habe im Vorfeld gegenüber dem Autor klar deklariert, dass sie nicht wolle, dass er das Material verwendet, betont Anwalt Ganzger. Wie er überhaupt an die Videos herangekommen ist, sei fragwürdig: "Sie sind unter Verschluss. Er kann sie nur auf rechtswidrigem Wege erlangt haben."

"Ich will das nicht"

Die Vorwürfe seien haltlos, entgegnet der Münchner Riva Verlag in einer schriftlichen Stellungnahme an den KURIER. Am 17. Dezember 2015 habe sich Kampusch in Begleitung ihres engsten Vertrauten Johannes Silveri mit dem Autor in einem Hotel in Wien getroffen. Sie habe die Möglichkeit erhalten, das Manuskript nach Belieben zu lesen. Es gebe sogar Erinnerungsfotos von einem gemeinsamen Abendessen und eine eidesstattliche Erklärung. "Vom Autor", ergänzt der Verlag auf Nachfrage. Ob auch Kampusch diese unterschrieben hat, bleibt unbeantwortet.

Etwas anders beschreibt Anwalt Ganzger das Treffen: Kampusch sei mit dem Lesen des 400-seitigen Manuskripts überfordert gewesen, habe nur ein wenig geblättert und dann zum Autor gesagt: "Warum machen Sie das? Ich will das doch gar nicht."

"Herr Reichard war dann beleidigt, denn schließlich hat er sich selbst immer als großen Unterstützer gesehen", schildert Ganzger. Reichard habenoch einmal versucht, mit Kampusch zu reden, sie habe aber abgeblockt.

Sie möchte sich auch jetzt nicht öffentlich zum Buch äußern, richtet ihr Anwalt aus. "Sie beteiligt sich nicht an dieser Geschäftemacherei." 2010 hat sie ihre eigene Biografie veröffentlicht. "3096 Tage" kam 2013 auch als Film in die Kinos. Seither hat sich die heute 28-Jährige aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.