"Eine Leidenschaft kann man nicht einfach abstellen"
Sabine Zimmerebner ist kaum 1,60 Meter groß, zierlich, von Beruf Kindergärtnerin und – vorsichtig ausgedrückt – eher der lebhafte Typ. Unter ihren feuerroten Haaren baumeln wild die Fledermaus-Ohrringe, als sie von der Bergung ihres Kameraden Johann Westhauser aus der Riesending-Höhle im bayrischen Berchtesgaden erzählt. Als "Heldin" sehe sie sich nicht. Der erfolgreiche Einsatz in Deutschlands größter Höhle erfülle sie aber doch mit Stolz: "Man arbeitet mit Menschen zusammen, die alles liegen und stehen lassen für einen Mann, den sie nicht einmal kennen. Diese Solidarität hat mich tief beeindruckt."
Verabschieden konnte sie sich nicht mehr von ihm. "Das ist in dem Trubel untergegangen", bedauert sie. Westhauser kenne sie von ihren Forschungstouren. Ob er nach dem Unfall wieder in eine Höhle steigen wird? "Davon bin ich überzeugt. Eine Leidenschaft kann man nicht einfach abstellen."
Mehrere 100.000 Euro
Während sich der 52-jährige Deutsche von seinem Schädel-Hirn-Trauma in der Unfallklinik Murnau erholt, stellt sich die Frage: Was hat seine Rettung gekostet? Die Bergwacht Bayern will am Montag einen ersten Überblick geben. Es dürften mehrere 100.000 Euro werden.
An der Aktion waren 728 Rettungskräfte aus fünf Nationen beteiligt. Jeder davon muss seine Einsatzstunden und Materialkosten einreichen. Laut Andreas Langer von der österreichischen Höhlenrettung beträgt der Stundensatz 30 bis 40 Euro. "Damit werden die ehrenamtlichen Helfer für ihren Aufwand entschädigt. Gewinn macht man damit nicht." Neben den Materialkosten dürften hohe Roaming-Gebühren auf die Helfer zukommen, da sie in Bayern mit ihren Privathandys telefoniert hatten, sagt Langer. Die österreichischen Retter waren täglich 24 Stunden im Höhleneinsatz, 42 von ihnen unter Tage, viele weitere am Berg und im Tal.
Die Kosten dürfte die Sozialversicherung von Johann Westhauser tragen. Der bayrische Innenminister Joachim Hermann hat zugesagt, den Verdienstentfall der Retter und die Lohnfortzahlungen zu übernehmen.
"Guten Morgen an alle, die mir hier so intensiv geholfen haben. Ich möchte mich ganz herzlich bei den Kameraden bedanken." Mit diesen Worten wendet sich Johann Westhauser per Video am Freitag an seine Retter. "Es war doch eine sehr große Aktion", merkt er an.
Seit seiner Bergung am Donnerstag liegt er auf der Intensivstation in der Unfallklinik in Murnau (Bayern). Der Patient sei in einem "hervorragenden Zustand", sagt Volker Bühren, ärztlicher Direktor des Spitals. Nach fast zwölf Tagen, die der 52-Jährige bis zu seiner spektakulären Bergung am Donnerstag verletzt in der Riesending-Höhle verbracht hat, sei das ein "kleines Wunder".
Ein Stein war dem Höhlenforscher aus Stuttgart am Pfingstsonntag aus 15 Metern Höhe auf den Kopf gefallen. Er erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma und – wie eine Computertomografie nun ergab – eine Gehirnblutung. Wegen der Schwellung sei der Teil im Gehirn, der für die Motorik zuständig ist, beeinträchtigt, erklärt der Mediziner. Deshalb könne Westhauser momentan nur verschwommen sprechen.
Sein Denkvermögen sei intakt, betont Bühren. Er wisse sogar, dass gerade Fußball-WM sei, obwohl ihn die Ergebnisse nicht interessierten.
Der Arzt geht davon aus, dass Westhauser noch zwei Wochen im Spital bleibt. Nach mehreren Monaten Rehabilitation dürfte er voll genesen.