Chronik/Österreich

Die Läuterung der Diplomaten-Szene

Rasen, falsch parken und Alkohol am Steuer unter diplomatischer Immunität – das war einmal. Ein Blick auf die neuesten Zahlen des Außenministeriums zeigt, dass die in Österreich akkreditierten Diplomaten "brav wie die Lämmer" wurden.

Limousinen mit dem WD-Kennzeichen (Diplomatenkennzeichen) unter dem Halteverbots-Schild gehörten in Wien lange Jahre zum Alltag. 17.500 Diplomaten und diplomatische Mitarbeiter sind in Österreich akkreditiert. Im ersten Quartal 2010 musste die Polizei fast noch 1700 Anzeigen wegen diverser Verkehrsdelikte gegen die diplomatischen Nadelstreifträger verbuchen. Diese Zahlen sanken in der Folge leicht. Doch im ersten Quartal dieses Jahres wurde ein Rekordtief von nur mehr 150 Anzeigen verbucht.

Beharrliche Verfolgung

Das führen politische Beobachter zum Teil auf die beharrliche Verfolgung der Delikte durch das Außenministerium zurück. Dort ist man der Meinung, dass alle von Diplomaten begangenen Delikte, die nicht in direktem Zusammenhang mit einer Amtshandlung stehen, im Rahmen eines Immunitätsverzichts verfolgt werden müssen.

Das bedeutet in der Praxis: Steht der Chauffeur eines Botschafters im Haltverbot, weil er seinen Chef zu einem wichtigen Termin gebracht hat, bleibt er straffrei. Steht er dort in seiner Freizeit zum Zweck eines Lokalbesuches, dann wird ihm die Strafverfügung per Diplomatenpost zugestellt. Immer weniger verstecken sich hinter der Immunität. Zahlten im Jahr 2010 nur ein Drittel der Angezeigten ihren Strafen, waren es zwei Jahre später bereits zwei Drittel.

Im Extremfall kann das Außenministerium vom jeweiligen Staat auch die Abberufung eines Diplomaten verlangen. Dass passiert zwar fallweise, doch diese Zahlen werden streng geheim gehalten.

"Problembären"

Darüber hinaus orten diplomatische Beobachter als Ursache für den starken Rückgang auch Veränderungen in der Wiener diplomatischen Community. Es seien "diplomatische Problembären" der letzten Jahre von der Bühne verschwunden, meint etwa ein Verfassungsschützer.

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Beispiel Kasachstan: Neben russischen und chinesischen Diplomaten gehörten seit jeher die kasachischen zu den rücksichtslosesten Verkehrsteilnehmern. Nachdem aber kasachische Diplomaten nach Meinung des Verfassungsschutzes in mehrere versuchte Entführungsfälle in der Causa Aliyev verwickelt waren, musste Kasachstan den Großteil des Botschaftspersonals austauschen. Die Nachfolger starteten zwar keine Entführungsversuche mehr, führten sich aber auf den Straßen auf wie die Vorgänger. Seit etwas mehr als einem Jahr ist nun ein neuer kasachischer Botschafter inthronisiert. Und die neue Mannschaft versucht ein möglichst positives Bild ihres Landes darzubieten – auch im Straßenverkehr.

Auch so schillernde und auffällige Personen wie der libysche Diktatorensohn Saif Gaddafi sind vom Wiener Parkett verschwunden. Dieser residierte einige Jahre diplomatisch geschützt in Wien. Im Juli 2007 wurde vor seinem Haus am Kahlenberg eine schwer verletzte Ukrainerin gefunden. Die schwierigen Erhebungen brachten kein Ergebnis. Doch Saif Gaddafi sitzt jetzt aus anderen Gründen in einer libyschen Todeszelle. Und die neue diplomatische Truppe in der Botschaft – dem vormaligen "Volksbüro – verhält sich unauffällig.

Im Gegensatz zu Österreich ist man in Deutschland der Meinung, dass alle Diplomaten auch bei Verkehrsdelikten immun seien. Das führte nun zu einem verzweifelten Appell der Polizeigewerkschaften an die in Deutschland akkreditierten Diplomaten, sie sollten sich wenigstens freiwillig an die Verkehrsvorschriften halten.

Alleine in Berlin leisteten sich disziplinlose Diplomaten im vergangenen Jahr 23.403 Delikte. Bei Unfällen kamen 20 Personen zu Schaden. In 30 Fällen liegt der Verdacht der Fahrerflucht vor.

Strafgelder entgangen

Durch den Verzicht auf die Verfolgung der Delikte entgingen der Berliner Stadtkassa im Jahr 2014 Strafgelder in der Höhe von 403.275 Euro. Aber auch in anderen Städten wie München und Hamburg gibt es regelmäßig Probleme mit Diplomaten. Die negative Statistik führen Diplomaten Saudi-Arabiens an, an zweiter Stelle liegen die Russen.

Das führt zum Frust bei der Polizei. Beamte sind verärgert, weil sie oft nach zeitraubenden Erhebungen ihre Erhebungsergebnisse in den Papierkorb werfen müssen, weil sich herausstellt, dass der Täter ein Diplomat ist. Das führte schließlich zu der dramatischen Aufforderung der deutschen Gewerkschaften an die akkreditieren Diplomaten, dass sie sich an die deutschen Verkehrsvorschriften halten sollten.