Die Grazer radeln wie nie zuvor
Es mag am Wetter gelegen haben, grübelt Gerald Röschel vom „ZIS+P“-Institut, das seit 1982 das Mobilitätsverhalten der Grazer untersucht. „2018 war sehr niederschlagsarm. Es kann schon sein, dass ein Prozent des Radverkehrs darauf zurückzuführen ist.“ Aber egal, was die Grazer im Alltag auf die Drahtesel lockte: Im Vorjahr radelten so viele wie nie zuvor. 19,3 Prozent der Bewohner legten 2018 sämtliche ihrer Wege mit dem Rad zurück, verglichen mit 2013 ein Plus von 4,8 Prozentpunkten; gegenüber der ersten Erhebung 1982 sogar eine Steigerung um elf Prozentpunkte.
„Es geht in die richtige Richtung“, freut sich Verkehrsstadträtin Elke Kahr, KPÖ, zumal ebenfalls 19,3 Prozent der Befragten angaben, wochentags zu Fuß unterwegs zu sein. Es scheint, als würden tatsächlich viele derzeit lieber radeln oder gehen als mit dem Auto fahren, denn der Individualverkehr ist von 37,5 auf 34,1 Prozent gesunken. Der Anteil des öffentlichen Verkehrs am sogenannten Modal Split stagniert aber: Er liegt seit 2008 konstant bei rund 20 Prozent, 1982 waren es 18,1 Prozent.
Dabei wäre da bei den Autofahrern noch einiges zu holen, ist Gerald Röschel überzeugt und untermauert dies mit Zahlen. Der durchschnittlich in Graz zurückgelegte Weg zu und von Arbeit, Schule, Uni oder Freizeitaktivität sei bloß sechs Kilometer lang. 52 Prozent der Autofahrer legen pro Tag nicht mehr als diese Weglänge zurück, 21 Prozent gar nur bis zu 2,9 Kilometer. „Da gibt es noch Potenzial zum Umsteigen“, betont Röschel.
Schneller mit dem Auto
Besonders die Gruppe der 36- bis 65-jährigen Berufstätigen sei zu motivieren: 47 Prozent dieser Altersklasse verzichten nicht auf das eigene Auto; ein Anteil, der davor (Schüler und Studenten) und danach (Pensionisten) auffallend niedriger ist. Denn neben der Weglänge gilt es weitere Faktoren zu berücksichtigen, Zeit und Bequemlichkeit. Trotz Stau und Parkplatzsuche kommt der Grazer im eigenen Pkw immer noch schneller von A nach B als mit Bus oder Straßenbahn. 22 Minuten von Start zum Ziel dauert es im Individualverkehr, jedoch 31 Minuten mit den Öffis.
„Wir brauchen ein besseres Angebot im öffentlichen Verkehr und eine Adaptierung der Betriebszeiten“, folgert Stadträtin Kahr. „Wenn ich einen Bus habe, der im Stau steht, werden die Leute nicht umsteigen.“ Auf die Kosten dürfe auch nicht vergessen werden. „Die Tarifpolitik ist nicht egal“, mahnt Kahr und erinnert an die jährliche automatische Preissteigerung: Sie führe dazu, dass eine Öffi-Jahreskarte in Graz ab 2020 schon wieder mehr als 300 Euro kosten könnte. Sie kostet derzeit 265 Euro, ab Juli 281 Euro.
Wie es in anderen Städten vorangeht
Linz: Die jüngsten Daten stammen aus 2012, 39 Prozent der Linzer sind als Lenker des eigenen Pkw unterwegs, je 22 Prozent gingen zu Fuß oder nützen Öffis, zehn Prozent waren Mitfahrer in Autos, sieben Prozent fuhren Rad.
Salzburg: In Salzburg sind die Radfahrer und Fußgänger mit je 20 Prozent gleich stark. 38 Prozent der Salzburger fahren mit dem eigenen Wagen, 15 Prozent mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Sieben Prozent der Salzburger fahren in einem Pkw mit.
Wien: Auch in Wien ist der Radverkehrsanteil mit sieben Prozent gering (Daten aus 2018). Die Stadt punktet mit ihrem Öffi-Netz, 38 Prozent nützen es. 26 Prozent der Wiener gehen zu Fuß, 22 Prozent fahren im eigenen Pkw, sieben Prozent sind Mitfahrer.