Der ungleiche Kampf einer Mutter
Weihnachten war bei Desirée Pfeifer und ihrer fast dreijährigen Tochter Victoria bescheiden. „Unter dem Plastikbaum sind ein paar Geschenke von Freunden und Familie für die Kleine gelegen. Sonst wäre es unterm Baum leer gewesen“, sagt die junge Mutter, die fast blind ist.
Sie ist erst vor Kurzem von Wien nach Leonding, OÖ, gezogen. Das Leben in der Bundeshauptstadt konnte sie sich schlicht nicht mehr leisten. Und das hat auch mit einem Rechtsstreit zu tun, der ihr sehr viel Kraft kostet. Und Geld. Ihr Gegner: Das Sozialamt der Stadt Wien.
Teurer Rechtsstreit
Das Amt wirft der 26-Jährigen vor, zu viel Sozialleistungen bekommen zu haben. 4300 Euro soll die junge Frau zurückzahlen. Doch wie dieser Betrag zustande kommt, darüber schweigt das Amt. Selbst vor dem Verwaltungsgericht Wien. Beim jüngsten Gerichtstermin erschien nicht einmal ein Vertreter der Behörde. Als die Richterin telefonisch Auskunft begehrte, wie sich der geforderte Betrag zusammensetzt, konnte man ihr keine Antwort geben. Die Richterin hob den Bescheid auf – übrigens schon zum zweiten Mal.
Auf den Kosten, die durch diesen Rechtsstreit entstanden sind, bleibt die Alleinerzieherin trotzdem sitzen. „Eine Frechheit, dass es nicht einmal einen Kostenersatz gibt“, sagt ihr Rechtsanwalt Gerold Beneder. „Durch Nichtstun schädigt hier die Behörde eine Bürgerin. Und wir können uns nicht einmal dagegen wehren.“
Schicksalsschläge
Das Leben der jungen Frau war bereits bisher schwer genug. Schon seit Geburt an ist sie sehbehindert. Als sie über Vermittlung des AMS eine Ausbildung als IT-Technikerin begann, verschlechterte sich ihre Sehkraft noch weiter. Der Grad ihrer Behinderung wurde mit 100 Prozent festgestellt.
Im Jänner 2016 wurde ihre Tochter Victoria geboren, wenig später starb Pfeifers Vater an Krebs.
Und somit hatte die junge Frau Anspruch auf mehrere Leistungen: Zur Mindestsicherung kamen Karenzgeld, Waisenpension und Pflegegeld dazu.
Die auszahlenden Stellen, also das Sozialamt und die Pensionsversicherungsanstalt dürften allerdings nicht abgesprochen haben, wer was zahlt. Und irgendwo dürfte dann zuviel ausgezahlt worden sein.
Wo, das wissen weder Desirée Pfeifer noch ihr Rechtsanwalt, noch das Gericht. Auskunft bekam keiner.
Plötzlich wurde der jungen Frau die Mindestsicherung gestrichen. Anspruch auf eine Gemeindewohnung hatte sie nicht. Ihre Mietbeihilfe wurde gekürzt. Und Desirée Pfeifer verzweifelte. Sie bat die Behörden mehrmals um Auskünfte. Doch die bekam sie nie. Um Ruhe zu haben, sparte sie sich monatlich 55 Euro ab, um den angeblichen Rückstand zu begleichen. Abgerechnet wurde das vom geforderten Betrag aber nie.
Endstation Couch
„Zuletzt habe ich auf der Couch bei meiner Schwester geschlafen. Es war klar, dass ich es mir nicht länger leisten kann, in Wien zu leben“, erzählt die 26-Jährige. Also packte sie ihre Sachen und zog nach Leonding. Dort lebt es sich billiger.
Doch übrig bleibt auch jetzt nichts. „Ich habe nichts, was man mir nehmen kann. Eine Nackerte kann man nicht ausziehen.“
Die Anwaltskosten stottert sie Monat für Monat in Raten ab. „Wenn ich nachrechne, wie viel Geld ich durch das Sozialamt verloren habe, wird mir schlecht“, sagt sie.
Aber was sie wirklich ärgert: „Dass man dann nicht einmal zum Gericht kommt, um sich dort zu zeigen und sich zu äußern.“