Chronik/Österreich

Der kaiserliche Pferdeflüsterer

Neugierig knabbert das braune Hengstfohlen an Harald Neukams Jacket. Ein weiteres Lipizzanerjunges hebt den Kopf und nähert sich dem Obergestütsmeister in der Jungtiere-Koppel auf seinen dünnen Beinen. Neukam tätschelt den Pferden den Hals, redet seinen Schützlingen zu. Der 43-jährige Steirer ist Obergestütsmeister des Lipizzanergestüts Piber in derWeststeiermark, Kinderstube der weißen Hengste, die in der Spanischen Hofreitschule in Wien seit Jahrzehnten ihr Können zeigen.

Gestern, Samstag, startete in Piber die Sommersaison. Ab sofort gibt es wieder stündliche Führungen durch das Gestüt und Veranstaltungen von der Muttertagsgala im Mai bis zum Almabtrieb im Herbst. Besucher können den Hufschmied bei seiner Arbeit beobachten, mit der Kutsche fahren oder neben den Junghengsten auf der Alm picknicken.

Früher Dienstbeginn

Neukams Alltag ändert sich durch den Saisonstart jedoch kaum. Für den gelernten Hufschmied geht das ganze Jahr hindurch der Dienst um 5.30 Uhr los. Dann wird der Plan für die 34 Mitarbeiter aufgestellt: Pferde müssen gefüttert, geputzt und durchgecheckt, Ställe gereinigt und Pferdepfleger geschult werden. Heuer werden nach längerer Pause auch wieder Pferdewirte ausgebildet.

Die Liebe zu den Pferden bekam Neukam bereits "in die Wiege gelegt". Von Anfang an von Pferden umgeben, bekam er mit neun Jahren sein erstes Pony. 1991 begann er dann seine Arbeit in der Spanischen Hofreitschule, machte die Ausbildung zum Hufschmied in Wien, kehrte aber bald in seine Heimat zurück. Im April 2011 übernahm er den Posten als Obergestütsmeister.

Zum Reiten kommt Neukam in Piber derzeit kaum. Drei, vier Mal im Jahr muss es sich aber doch ausgehen. Fixpunkt ist der Stefaniritt am 26. Dezember anlässlich des Heiligen Stefans, Schutzpatron der Pferde.

140 Geburten

Die schönsten Momente in seinem Arbeitsalltag? "Wenn wieder ein gesunden Fohlen zur Welt gekommen ist." Am besten ohne tierärztliche Hilfe. Rund 140 Geburten hat Neukam in seinen drei Jahren als Obergestütsmeister schon miterlebt. Donnerstag gegen zehn Uhr abends kam das jüngste Fohlen zur Welt, die 25. Geburt in diesem Jahr.

140 Lipizzaner sind derzeit in Piber untergestellt, Neukam kennt jedes beim Namen. Lieblingspferd hat er aber keines. "Das darf ich als Obergestütsmeister gar nicht haben", sagt Neukam Auch beim Reiten – so er dazu kommt – wechselt er ständig den Reitpartner.

Jedes Jahr werden die Ein- bis Dreijährigen Ende Mai auf die Alm gebracht. Hengste und Stuten getrennt voneinander, denn Pferde sind nach einem Jahr geschlechtsreif. Mit dreieinhalb Jahren kommen die Hengste zur Musterung. Dabei wird entschieden, wer nach Wien darf. Dieses Jahr sind es 13 der 15 Junghengste. Die übrigen bleiben teilweise für die Kutschfahrt am Gestüt oder werden verkauft. Die Stuten werden in Piber ausgebildet. Ein Jahr lang werden sie fürs Reiten und die Kutschfahrt trainiert. Nur die gelehrigsten werden für die Zucht verwendet.

Neben den Lipizzanern hat Neukam bei sich zu Hause noch eine sechsköpfige Haflingerherde. Zur Entspannung. Denn die sind leichter zu pflegen als die weißen Lipizzaner. "Wenn man die Schimmel nicht täglich putzt, dann werden sie gelb." Auch hier hat es gerade Nachwuchs gegeben. Freitagnacht kam ein kleiner Haflingerhengst zur Welt.

Mehr Bilder aus Piber

Die Weststeiermark ist nicht nur Heimat der weißen Pferde, die Landschaft bietet sich einerseits für Spaziergänge oder Wandertouren an. Aber auch Kultur-Liebhaber kommen ihre Kosten. Das Rathaus in Voitsberg beispielsweise wurde von Künstler Arik Brauer verziert. Brauer hat auf dem Gebäude rund 120 Fliesen, die Sprichwörter darstellen, angebracht. Radfahrer können bei den Genussradeltouren weitere kulturellen Plätze kennenlernen, wie der von Friedensreich Hundertwasser gestaltete St. Barbarakirche oder dem Wallfahrtsort "Heiligen Wasser".

Für all jene, die ein etwas ungewöhnlicheres Fortbewegungsmittel ausprobieren möchten, gibt es in Hirschegg geführte Lama Trekking Touren. Wanderführer Rudolf Reiter bietet Schnupper-, Laternen- aber auch Singlewanderungen an. In Maria Lankowitz werden Golf-Liebhaber fündig. Seit mittlerweile 13 Jahren gibt es hier die 18-Loch-Anlage "Erzherzog Johann". Sanfte Hügel, Teiche und hohe Wälder sorgen für eine eindrucksvolle Kulisse. Wasserratten können sich in diversen Badeseen – wie dem Hirzmann Stausee oder dem Packer Stausee – austoben.

Für Kulinarik ist in dieser Region ebenfalls gesorgt. Buschenschenken und Gasthäuser locken mit hausgemachtem Speck, frischem Bauernbrot und Wein.