Chronik/Österreich

Den Kaiser hätte es sehr gefreut

Kein Fuchs und kein Hase, die sich hier „Gute Nacht“ sagen. Nur zwei Katzen, die sich auf der Dorfstraße aalen. Dann öffnet der Bürgermeister Jindrich Holub das Tor seines Bauernhofes und begrüßt die Fremden überschwänglich. Besuch der Presse, den gibt es hier selten.


Doch in den vergangenen Tagen hat es das 74-Einwohner-Dorf Pohled im tschechischen Mähren in die Medien geschafft. Schuld daran ist die Büste, die gestern enthüllt wurde. Eine Bronze-Abbildung von František Josef, also Kaiser Franz Joseph. Zum Fest sang ein Chor die Kaiser-Hymne. Sissy und Franz-Darsteller in historischen Roben hatten sich ebenfalls angekündigt.

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Der Bürgermeister ist ein großer Anhänger der Monarchie. Er gehört der monarchistischen Partei „Tschechische Krone“ an. Und er ist nicht nur Bürgermeister. Er ist auch Rinderzüchter, Museumsführer und Wirt des Dorfes.


Kaiserlinde

„Monarchie ist besser als Präsidenten“, sagt er. „Monarchie hat Kontinuität.“ Den Österreichern fühlt man sich hier verbunden. Mehr als den Slowaken. „Der Kaiser hat in Tschechien sehr viel Geld in die Kultur investiert, wir sind ihm viel schuldig“, schwärmt der Bürgermeister.


In seinem kleinen Ort war der Monarch aber nie. Was die Bewohner nicht daran hinderte, im Jahre 1908 (60-jähriges Thronjubiläum, Anm.) ihm zu Ehren sechs Linden am Dorfplatz zu pflanzen. Eine davon steht noch. Zwei neue wurden gesetzt. Und in ihrem Schatten blickt jetzt der Kaiser über die Dorfstraße, direkt auf die bisher einzige Sehenswürdigkeit Pohleds: Michals historischen Bauernhof. 400 Jahre ist er alt. Die Gemeinde hat ihn erworben und restauriert. In der „schwarzen Küche“, in der einst Brot gebacken und Fleisch geselcht wurde, riecht es noch immer nach dem kalten Ruß.


Schlaflose Nächte hat der Bürgermeister hinter sich. Die Feier zur Enthüllung der Büste ist etwas Außergewöhnliches. Er hat sich extra eine traditionelle Tracht schneidern lassen. Für den KURIER-Fotografen nimmt er sogar die Fahne des böhmischen Königreichs in die Hand. „Das ist mein politischer Selbstmord“, lacht er.


Postkarten-Idylle

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In der kleinen Wirtsstube hängt ein Bild des Kaisers im Herrgottswinkel. Visavis steht eine Box mit Ansichtskarten zum Verkauf – Franz Joseph in allen Altersstufen, daneben Ferdinand I. und Karl Habsburg. Viel wird hier abends beim Bier über die Büste gesprochen, sagt der Wirt = Bürgermeister. Alle stünden hinter ihm. Außer einem. „Der mag die Habsburger nicht.“


Ob man denn mit einem Dorfbewohner reden könnte? „Die sind tagsüber alle in der Arbeit auswärts. Nur die alten Frauen sind noch hier. Und die fürchten sich.“ Also muss Mutter Maria Holuba her. Die hält den Anruf ihres Sohnes für einen Scherz. „Ich habe gerade Zwetschkenkuchen im Ofen“, ärgert sie sich. Um wenige Minuten später mit dem fertigen Kuchen in der einen Hand um die Ecke zu biegen. Die andere Hand hat sie zur Ermahnung des Sohnes erhoben. „Toll“ findet sie die Idee des Sohnes. „Aber er tut sich damit wieder so viel Arbeit an“, seufzt sie.


Übrigens: Wer Franz Joseph einen Besuch abstatten will: Das Navigationssystem gibt hier auf und befördert Besucher in den namensgleichen Ort, 20 Kilometer östlich. Wegen der aktuellen Straßenbauarbeiten und -sperren bedeutet das einen Umweg von rund einer Stunde. Dafür via Feldwege und sehr viel Landschaft.