Chronik/Österreich

Chaos bei kleinem Glücksspiel

Michael Hlobil gehören 100 Spielautomaten. Seine einarmigen Banditen stehen in Bars, bei Wirten oder in Tankstellen. Genehmigung hat er dafür keine. Der 56-Jährige erkennt nämlich das Glücksspielgesetz in seiner jetzigen Fassung nicht an, weil es EU-rechtswidrig sei. "Wenn das Gesetz nicht legal ist, dann gibt es auch keine illegalen Automaten", schlussfolgert Hlobil.

Das Glücksspielgesetz bleibt eine Dauerbaustelle. Es sollte klare Regeln bringen und die Spieler schützen. Glaubt man langjährigen Unternehmern wie Hlobil, dann herrscht noch immer ein Wildwuchs. Allein im Vorjahr beschlagnahmte die Finanzpolizei 1300 Geräte.

Alle Inhalte anzeigen

Der 56-Jährige ist kein Einzelfall: Er berichtet von 50 Betrieben, die ebenfalls ohne Lizenz tätig sind. Im Automatenverband, der hundert Mitglieder zählt, spricht man von einem Dutzend.

Lizenzvergaben

Es geht um das kleine Glücksspiel – jene so genannten einarmigen Banditen, für die die Länder Konzessionen vergeben. Die alten Regelungen liefen bzw. laufen aus, neue Lizenzen ergatterte fast überall nur der Big Player Novomatic. Hlobil und seine Mitstreiter schauten durch die Finger, beeinspruchten aber mancherorts die Vergaben. Hlobil spricht von einem "Überlebenskampf".

Im Mittelpunkt des Konflikts steht einmal mehr das Glücksspielgesetz. Erst 2010 entschied der Europäische Gerichtshof, das Gesetz sei nicht EU-rechtskonform. Der Gesetzgeber besserte nach. Jetzt steht es erneut am Pranger – oder besser gesagt das damit verbriefte Monopol. Das Monopol wird mit dem Spielerschutz begründet. Allerdings wäre dann für die Casinos Austria Werbung ein Tabu. Genau gegen diese Werbung kämpft ein oberösterreichischer Unternehmer an. Das Landesverwaltungsgericht rief die EU-Ebene an, dies zu prüfen.

Hlobil drohen pro Gerät bis zu 60.000 Euro Bußgeld – in Summe sechs Millionen Euro. "Ich würde das nicht tun, wenn ich nicht wüsste, dass ich recht habe", erzählt er.

Kompetenzfrage

Bisher hat er seine konfiszierten Geräte zurückbekommen. Im Juni 2013 stellte der Verfassungsgerichtshof die Exekution des Gesetzes auf den Kopf: Nicht die Verwaltungsbehörden, sondern Strafgerichte seien dafür zuständig, urteilte er. Diese beriefen sich in ihren Urteilen darauf, dass das Gesetz EU-Normen widerspreche und machten die Beschlagnahmungen rückgängig.

Mit einem Kunstgriff versucht nun das Finanzministerium, den Spieß wieder umzudrehen. Im Budgetbegleitgesetz hielt es fest, dass nun doch wieder Verwaltungs- und nicht Strafgerichte damit zu befassen sind. Hlobil und seine Mitstreiter ließen das vom Verfassungsjuristen Heinz Mayer prüfen. Fazit des Gutachtens: Die Praxis ist "verfassungswidrig", weil ordentliche Gerichte Vorrang hätten.

Im Ministerium pocht man darauf, dass das Gesetz "unionsrechtskonform" sei. Es laufe kein Vertragsverletzungsverfahren. "Klares Ziel" sei es, den Spieler- und Jugendschutz zu verstärken und "illegales Glücksspiel effektiv zu bekämpfen".

In Niederösterreich beeindrucken Ansagen wie jene von Michael Hlobil die Politik nicht. Das Land sagt gerade jetzt den Betreibern von illegalen Spielautomaten den Kampf an. Vor eineinhalb Wochen wurden in Lilienfeld Automaten beschlagnahmt, am vergangenen Freitag schlug die Behörde in Gloggnitz zu.

2006 wurde in Niederösterreich das kleine Glücksspiel (Höchsteinsatz pro Spiel max. 10 Euro) offiziell erlaubt. Seitdem dürfen die einarmigen Banditen aber per Landesgesetz nur unter strengen Auflagen aufgestellt werden. Landesweit werden höchstens 1800 Glücksspielautomaten bewilligt. Erlaubt sind ausnahmslos Automatensalons, die von großen Gesellschaften betrieben werden, mit mindestens 10 und höchstens 50 Maschinen.

Trotzdem gibt es nach wie vor Lokale mit verbotenen Einzel-Automaten. Nach den jüngsten Schätzungen der Finanzpolizei sind aktuell mehr als 120 illegale Spielautomaten in Niederösterreich in Betrieb.

Spielerschutz

„Das ist aus zwei Gründen problematisch“, sagt Landesrätin Elisabeth Kaufmann-Bruckberger. „An den Automaten ist kein Spielerschutz gegeben, auch Minderjährige haben Zugang dazu. Und die Aufsteller zahlen natürlich keine Abgaben.“ In Kaufmann-Bruckbergers Ressort fallen Kontrolle und Strafangelegenheiten im Zusammenhang mit illegalen Automaten. „Die Betreiber abzuschrecken war bisher aber kaum möglich. Nach oft monatelangen Gerichtsverfahren kamen sie mit ein paar Hundert Euro Strafe davon.“ Konfiszierte Automaten seien gleich wieder durch neue ersetzt worden.

„Das neue Bundesgesetz sieht eine Mindeststrafe von 3000 Euro für die Betreiber vor“, sagt Kaufmann-Bruckberger. „Strafzahlungen bis zu 60.000 Euro sind möglich.“ Auch derjenige, der die Automaten in seinem Geschäft aufstellen lässt, könne nun bestraft werden. „Das geht bis zum Entzug der Gewerbeberechtigung.“ Um die laut neuem Bundesgesetz zuständigen Bediensteten der Bezirkshauptmannschaften zu schulen, gibt es heute in Baden eine große Info-Veranstaltung mit Experten des Finanzministeriums. Kaufmann-Bruckberger will die Kontrollen forcieren: „Mein Ziel ist es, in meiner Amtszeit das Land von allen illegalen Spielautomaten zu säubern.“