Chronik/Österreich

Blauer Brief ans Krankenbett

Einen Tag vor Weihnachten, am 23. Dezember, wurde die 50-jährige Reinigungskraft Eva Hörhahn um ein Gespräch mit der Personalchefin gebeten. Im Hinterkopf ahnte sie bereits, warum. "Ich habe deshalb meine Schwester gebeten, mich zu begleiten."

Einen Monat zuvor war bei der 50-jährigen Mutter zum zweiten Mal Blinddarmkrebs diagnostiziert worden. Aus Loyalität dem Unternehmen gegenüber hatte sie ihren Chef über die anstehende Operation samt sechs Wochen Krankenstand informiert. Beim persönlichen Gespräch mit der Personalchefin bekam sie dann die Rechnung dafür präsentiert.

Einvernehmlich

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"Am Anfang hat sie mir noch gesagt, dass dem Unternehmen die Mitarbeiter am Herzen liegen und ich rasch wieder gesund werden soll", sagt Hörhahn. Doch im Verlauf desselben Gesprächs wurde ihr von der Reinigungsfirma eine einvernehmliche Vertragsauflösung vorgelegt. Mündlich bekam sie die Zusage, nach dem Krankenstand sofort wieder eingestellt zu werden. Das Unternehmen würde sich dadurch nämlich das Krankengeld für die Mitarbeiterin ersparen.

Hörhahn weigerte sich jedoch, die Kündigung zu unterschreiben. Vergangene Woche wurde ihr schließlich die Nachricht per Post übermittelt: Sofortige Kündigung. Eine Frist gibt es laut Kollektivvertrag bei Reinigungskräften nicht. "Damit habe ich schon gerechnet."

Als Hörhahn 2009 eine "Beule" aus dem Bauch gewachsen ist, wandte sie sich an ihren Arzt. Im Krankenhaus folgte die schlechte Nachricht: Blinddarmkrebs. Eine rasche Operation konnte jedoch Schlimmeres verhindern. "Seither war ich keinen Tag mehr im Krankenstand."

Kein Einzelfall

Laut nö. Arbeiterkammer (AKNÖ) ist das Schicksal von Eva Hörhahn kein Einzelfall. Im Vorjahr waren rund 5200 Arbeitnehmer mit Kündigungen im Krankenstand oder einvernehmlichen Lösungen konfrontiert. Die Zahl der Betroffenen ist zuletzt stark gestiegen: 2005 waren es noch rund 4000 Kündigungen.

Begonnen hat die Praxis im Jahr 2000, als der Entgelt-Fortzahlungsfonds abgeschafft wurde. Bis dahin hatte der Fonds das Krankengeld ab dem dritten Tag übernommen. Seither müssen Unternehmen acht Wochen lang selbst dafür aufkommen. Erst dann übernimmt die Krankenkasse einen Teil.

"Es ist aufs Schärfste zu verurteilen, wenn Arbeitnehmer wegen eines Krankenstands gekündigt werden", kritisiert AKNÖ-Präsident Markus Wieser. Schließlich würden Unternehmer gesellschaftliche Verantwortung tragen. Dass es sich um einen landesweiten Trend handelt, bestätigt auch Carina Lintner, Arbeitsrecht-Expertin der AK Kärnten: "Es gibt deutlich mehr Beratungstermine zu dem Thema, seit dem Wegfall des Entgelt-Fortzahlungsfonds ist die Zahl massiv gestiegen."

Dies bestätigt auch Uwe Bauer von der AK Burgenland. "Wir bekommen sehr viele neuen Anfragen. Vor allem Arbeiter, deren Kündigungsfrist sehr kurz ist, sind betroffen." Auch im Sozialministerium sind die Praktiken bekannt. Studien, wie viele Personen österreichweit betroffen sind, liegen allerdings nicht vor.

Hörhahn selbst lässt sich durch den Vorfall nicht entmutigen. "Ich habe bisher immer etwas gefunden." Die ersten Bewerbungen hat sie bereits verschickt.

Grundsätzlich gilt: Wer krank ist und nicht arbeiten kann, sollte dies auch nicht tun, um seine Gesundheit nicht zu gefährden. Allerdings ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber unverzüglich seine Arbeitsverhinderung (=Krankenstand) mitzuteilen. In den meisten Fällen reiche ein Anruf in der Firma am besten zu Arbeitsbeginn oder noch davor aus, rät die Arbeiterkammer. Anschließend sollte man unverzüglich einen Arzt aufsuchen und sich krankschreiben lassen.

Vor dem Verlust des Arbeitsplatzes geschützt sind Arbeitnehmer allerdings nicht. Laut Arbeiterkammer gehen deshalb zahlreiche Arbeitnehmer auch krank in die Firma. Laut Studie sind deswegen schon neun von zehn Personen einmal krank in der Arbeit erschienen.

Der Arbeitgeber erspart sich durch die Kündigung im Krankenstand aber nichts, da er den Krankenstand bezahlen muss. In der Praxis wird den Arbeitnehmern deshalb sehr oft eine einvernehmliche Lösung angeboten.