Chronik/Österreich

Bestseller-Autor Fitzek: "Ich gebe in meinen Büchern viel über mich preis"

In Sebastian Fitzeks neuestem Thriller geht es um ein Computerprogramm, das Verbrechen vorhersieht: Der Schriftsteller Max Rhode ist ein gesetzestreuer Bürger – dennoch prophezeit das System, dass er ein entsetzliches Verbrechen begehen wird. Im KURIER-Interview spricht der Bestseller-Autor über reale Verbrechensbekämpfung, psychopathische Profile – und darüber, dass es sogar teuer werden kann, wenn man nicht auf Facebook ist.

KURIER: Kann man mithilfe genauer Datenauswertung Verbrechen voraussehen? Was davon ist Realität, was Fiktion?

Sebastian Fitzek: Das Szenario im Buch ist eine überhöhte Realität, aber es ist auf keinen Fall unmöglich. In Bayern wurde ein Programm getestet, mit dem beispielsweise Wohnungseinbrüche vorhergesagt werden konnten. Es gibt Parameter, die beeinflussen, ob ein Einbruch passiert: etwa, wann es dunkel wird oder in welcher Gegend die Wohnung liegt. In Kalifornien analysierte ein Programm, wie sich Menschenströme nach Veranstaltungen bewegen, und wo es beispielsweise zu Schlägereien kommen könnte. Streifenwagen fuhren dann dort, wo die Wahrscheinlichkeit für ein Verbrechen höher war. Die Zahl der Delikte ging um 30 bis 50 Prozent zurück. Anders als im Buch werden jedoch nicht die Daten singulärer Person ausgewertet. Wann zum Beispiel eine Vergewaltigung stattfindet, lässt sich so nicht vorhersagen. Das ist Fiktion.

Wie umfangreich ist die Recherche für Ihre Bücher?

Ich las einen Spiegel-Artikel über Verbrechensvorhersage, das war eine der Initialzündungen für diesen Roman. Sicher lese ich eine Menge Fachliteratur. Es geht aber auch um die Kunst des Weglassens: Schließlich soll kein Sachbuch entstehen – sondern ein Unterhaltungsroman. Außerdem lässt sich die Polizei natürlich nicht in die Karten gucken. Sonst wüssten ja auch die Verbrecher, wie diese Algorithmen funktionieren. Wichtig ist daher, auch mit Betroffenen zu sprechen. Ich kenne zum Beispiel zwei Personen, die in den USA krankenversichert sind, und deren Beiträge unterschiedlich hoch sind. Argumentiert wurde das damit, dass derjenige, der mehr bezahlt, nicht auf Facebook registriert ist: Daher wisse man nicht, ob er etwa an den Wochenende viel trinkt oder riskante Hobbies hat. Also kann auch der Entzug aus der Datenwelt negative Folgen haben.

Angesichts der Terroranschläge in Paris ist das Thema hochaktuell. Schafft mehr Überwachung mehr Sicherheit?

Das ist eine Grundfrage, die ich auch in meinem Buch nicht beantworten kann. Ich habe jedenfalls weniger Angst vor staatlicher Kontrolle, als vor privater. Ich hätte Angst davor, dass Informationen in falsche Hände gelangen. Wir wollen sicher nicht alle Freiheiten aufgeben, und allgemein gibt es eben ein gewisses Lebensrisiko. Die Antwort auf die Frage ist daher unglaublich schwierig. Schwarz-Weiß-Denken funktioniert hier nicht. Das Gefährlichste ist wohl, wenn jemand glaubt, eindeutige Antworten zu haben.

Sind Sie seit Ihren Recherchen vorsichtiger, was Sie von sich preisgeben?

Ich war früher immer von der Fraktion „Ich habe nichts zu verbergen“, und ich schreibe auch nicht mit erhobenem Zeigefinger. Aber man wägt mit der Zeit schon ab, was man preisgibt, und was nicht.

In Ihrem Roman kann einen bereits der Suchverlauf auf Google in Probleme bringen. Wie sieht denn Ihr Suchverlauf aus?

Ich habe schon vor drei Jahren scherzhaft gesagt: Hoffentlich weiß das Bundeskriminalamt, dass ich Schriftsteller bin. Ich habe nach K.O.-Tropfen gesucht, oder nach abgelegenen Orten in Berlin und Umgebung. Dann sucht man vielleicht noch Kinderspielzeug für Weihnachten – und schon hat man ein ziemlich psychopathisches Profil.

Grundsätzlich kann man aber doch kaum verhindern, dass Daten von einem in Umlauf kommen?

Ich bekam einmal einen Brief von einem Inkassobüro, weil ich angeblich Damenunterwäsche in Übergröße gekauft und nicht bezahlt habe. Da hat jemand meinen Namen sowie die Adresse meines Vaters angegeben, und diese Waren im Internet bestellt. Ich konnte den Irrtum aufklären und habe in einem Brief angesucht, meine Daten zu löschen. Aber wer weiß, ob diese Daten nicht doch noch irgendwo aufscheinen? Vielleicht merke ich es erst in zehn Jahren, wenn ich keinen Kredit bewilligt bekomme (lacht).

Verzichten Sie zum Beispiel auf Kundenkarten?

Ich ja – aber meine Frau nicht. Insofern ist es auch wieder egal (lacht). Aber ich lasse gesammelte Punkte ohnehin immer nur verfallen.

Welche Rolle spielen Facebook und andere Soziale Medien? Posten wir zu viel Privates?

Ich gebe ja schon in meinen Büchern sehr viel über mich preis. Aber auf Facebook würde ich etwa keine Kinderfotos posten. Aber als größere Gefahr sehe ich hier Cybermobbing: Ein Baby, das mit dem Kopf auf der Torte schläft, mag jetzt lustig sein. Aber wenn das in zehn Jahren aufspürt wird, kann das Kind damit gemobbt werden. Eigentlich ist Facebook ja ein modernes Poesie-Album. Derzeit ist die Stimmung aber derart aufgeladen und es gibt so viele Kontroversen, dass sich selbst Schüler schon wie Politiker benehmen: Sie formulieren jede Aussagen, die sie posten, achthundert Mal um – außer natürlich, sie wollen absichtlich polarisieren. Aber es ist weniger die Überwachung, als Cybermobbing gegen Schwache, das ich hier bedenklich finde.

Haben Sie schon eine Idee für einen nächsten Roman?

Es wird ein klaustrophobischer Psychothriller, der in nur einem Haus spielt. Der Titel wird „Das Paket“ lauten. Jeder kennt das: Der Postbote läutet und bittet, ein Paket für einen Nachbarn entgegenzunehmen. Eine Frau, die Angst hat, das Haus zu verlassen, nimmt so ein Paket entgegen.