Aufregung in der Getreidegasse: Keine Burger für Salzburger
Von Uwe Mauch
Die Getreidegasse an einem heißen Juli-Nachmittag: Touristen ziehen dicht gedrängt, schauend, staunend durch. Nur wenige Einheimische bahnen sich dazwischen ihren Weg, versuchen, möglichst schnell weiterzukommen. Gekauft wird wenig.
Gleich am Beginn der Gasse ein Aufreger: Dort, wo noch vor einem halben Jahr Textilien einer globalen Modekette rausverkauft wurden, sind heute die Schaufenster leer. Im Schlussverkauf kann man hier nur noch die Mega-Immobilie erwerben.
Alles nicht so schlimm?
Zuletzt sorgte die Nachricht, dass im Dezember die McDonald’s-Filiale im Haus Nr. 26 geschlossen wird, für weiteren Zündstoff.
Im Nebenhaus führt Christian Wieber eine sechs Jahrhunderte alte Tradition fort. Der Schlosser, der auch Obmann des Altstadtvereins ist, versteht die Aufregung nicht: „Die Leerstandsquote bei uns in der Altstadt beträgt weniger als fünf Prozent.“
Vor 41 Jahren hätten sich die Leute beschwert, dass die Fast-Food-Kette in der Altstadt einzieht, heute beschweren sie sich, dass sie abzieht. Die Getreidegasse sei weit mehr, so Wieber. „In der Altstadt schaffen 48 Handwerksbetriebe hochwertige Produkte.“
Er selbst hat fast alle Zunftschilder auf der 500 Meter langen Flaniermeile zwischen Rathausplatz und Bürgerspitalgasse erzeugt, auch jenes für McDonald’s. Der Branchen-Mix sei gut. „Darüber sollte viel mehr berichtet werden.“
Offener über die Probleme in der Fußgängerzone spricht Andreas Kirchtag. Er produziert und verkauft im Haus Nr. 22 das, was man in Salzburg öfters benötigt: Regenschirme. Kirchtag, der den Betrieb bereits in vierter Generation leitet, bedankt sich zuerst bei jener Familie, die ihm seit vielen Jahren schon die Verkaufsfläche „zu absolut fairen Konditionen“ vermietet. Nicht alle Hauseigentümer in der Luxusgasse, unter ihnen auch einige Stiftungen, würden so menschlich agieren, weshalb einige Nachbarbetriebe finanziell in die Bredouille geraten sind.
Was dem Schirmmacher, der jüngst im Europark in Taxham eine Filiale eröffnet hat, auch Sorge bereitet: „Die lokale Bevölkerung kommt immer seltener in die Altstadt, kauft lieber in den Einkaufszentren vor der Stadt ein.“
Deshalb möchte auch Michael Heinritzi den Rückzug aus der an sich prestigeträchtigen Salzburger Altstadt antreten. Das Kalkül des Franchisenehmers von McDonald’s: „Langfristig müssten wir in eine neue Küche investieren, dann lohnt sich dieser Standort nicht mehr.“ Drive-in-Stationen vor der Stadt sind rentabler als Innenstadtlagen.
Alles wird wieder gut
Positiv gestimmt ist hingegen eine der letzten Ledergalanteriewaren-Erzeugerinnen Österreichs, die sich ganz bewusst in der Getreidegasse angesiedelt hat. In ihrer Werkstatt im ersten Stock des Hauses Nr. 28, die sie ebenso zu leistbaren Konditionen mieten kann, fertigt Christina Roth aus Leder Geldbörsen, Uhrenarmbänder, Gürtel und alle möglichen Taschen nach Maß. Gut von ihren Kunden angenommen wird auch ihr exklusives Reparaturservice.
Die galante Handwerkerin fühlt sich im jahrhundertealten Gemäuer „besonders inspiriert“. Den derzeit vor ihrer Haustür zu beobachtenden Umbruch sieht sie relativ entspannt: „Bei manchen Shops bin ich nicht einmal böse, wenn sie ausziehen. Neues kann nur dann entstehen, wenn Altes zu Ende geht.“
Zwar können die Betriebe in der Salzburger Altstadt zwei Mal pro Jahr auf die Festspielgäste zählen, dennoch haben die viel diskutierten Phänomene des Overtourism auch der lokalen Wirtschaft geschadet. Christina Roth ist jedoch ein Beleg dafür, dass sich das Kalkül Qualität vor Quantität bezahlt machen kann.
Sie bildet inzwischen auch Lehrlinge aus. Zufrieden erklärt sie in ihrer Werkstatt: „Die jahrhundertealten Gebäude der Getreidegasse werden weiterhin lachen, und das Beständige wird weiterhin bestehen.“