AUA-Flug: Nur Zufall verhinderte Katastrophe
Dass die AUA am 13. Oktober 2015 nicht die schlimmste Katastrophe ihrer Firmengeschichte erlebt hat, nennt ein Austrian-Pilot "reinen Zufall". Nicht viel fehlte, dass eine Dash-8 mit 59 Insassen an einem Berg im Schweizer Lugano zerschellt wäre. Recherchen des KURIER ergeben ein brisantes Gesamtbild – das die heimische Fluglinie in Erklärungsnotstand bringt. So besteht der Verdacht, dass der Pilot eine verbotene, hochgefährliche Anflugroute gewählt hat. Bezeichnend: Die Schweizer Fluguntersucher wurden laut eigenen Angaben durch einen Passagier davon in Kenntnis gesetzt. Es handelte sich um den Piloten einer fremden Fluglinie, der als Passagier mitflog und die kreischenden Pull-up-Warnsignale ("Hochziehen") hörte, die aus dem Cockpit kamen. Daten, die anschließend auf einen mehr als extremen Steigwinkel hinwiesen und in diesem Bericht zunächst publiziert wurden, werden von Piloten und Experten allerdings angezweifelt.
"Erst Monate später" erkannt
Der Vofall wurde jedenfalls zunächst nur als "Missed Approach" (verpasster Anflug) bezeichnet. Offenbar wurden aber wesentliche Informationen verheimlicht. "Das wahre Ausmaß des schweren Vorfalls wurde erst Monate später erkannt", sagt Florian Reitz von der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST). Der Untersuchungsbericht wird erst im Sommer veröffentlicht, aber offenbar besteht laut Insidern der Verdacht, dass der Pilot bei schlechtem Wetter möglicherweise sogar eine nicht erlaubte Anflugroute gewählt hatte und auf dieser auch noch zu früh abgedreht hat. Dort wäre der Flieger dann am Berg Collina d’Oro zerschellt, darauf weisen Daten der Plattform Aviation Herald hin.
"Besonders kritisch"
In einem Bericht des Schweizer Bundesamtes für Zivilluftfahrt aus dem Jahr 2009 wird die Circling-Route als "besonders kritisch" bezeichnet, das Gelände sei bei schlechter Sicht "nur ungenügend zu erkennen", das Riskio "langfristig nicht akzeptabel". Im Internet (und am Ende dieses Berichts) findet man Videos von Piloten, bei denen es selbst bei guter Sicht mit den Flugzeugen knapp an die Berge herangeht und Warnmeldungen ertönen. Interessant ist, dass die Maschine wegen Schlechtwetters keinen zweiten Anflug mehr durchführte, sondern in Mailand landete statt in Lugano. Wäre tatsächlich ein Circling gefolgen worde, wäre das noch brisanter.
Doch der Umgang der Fluglinie mit dem Vorfall hat auch noch in einem weiteren Punkt eine schiefe Optik. Denn der Pilot, der am Steuer saß, wurde laut AUA-Insidern zwar suspendiert, darf aber mittlerweile wieder als Co-Pilot fliegen. Die Co-Pilotin hingegen wurde außer Dienst gestellt. Die Austrian will sich dazu nicht näher äußern, betont aber, dass "Geschlecht und Funktionen" keine Rolle spielen bei derartigen Entscheidungen.
"Man legt den Hebel um und gibt Vollschub"
"Dieser delikate Fall hat in der Belegschaft die Runde gemacht, obwohl seitens der Airline nur sehr wenig kommuniziert wurde", sagt ein Pilot. Er erklärt den Vorfall so: Das Bodenannäherungs-Warnsystem GPWS hat verschiedener Stufen, dazu zählt etwa "Too Low Terrain" bei unsicherem Bodenabstand. "Schon bei der ersten Warnung sollte die Maschine hochgezogen werden. Je länger sich der Pilot Zeit lasse, desto geringer werden die zeitlichen Sicherheitsreserven für Manöver. Bei der eindringlichen Warnung ,Terrain Terrain Pull up’ ist wirklich Feuer am Dach und das Cockpit muss sofort und richtig reagieren", sagt der Pilot. "Man legt den Hebel um und gibt Vollschub bis das Flugzeug kurz vor der Abrissgeschwindigkeit nach oben zieht."