Chronik/Österreich

Arbeitskampf in den Gefängnissen

In Ernst Stummers Biografie ist die Justiz allgegenwärtig: 30 Jahre saß der 76-Jährige, der sich selbst mit dem Titel Einbrecherkönig geadelt hat, ein. 20 Einträge hat sein Vorstrafen-Register. Vor sechs Monaten wurde er zum zehnten Mal enthaftet.

Vom Gefängnis als Arbeitgeber hat er nichts Gutes zu erzählen. Und das will er ändern. Stummer will eine Gewerkschaft für Gefangene gründen, die sich für höhere Löhne im Knast starkmacht.

Der Wiener wärmt für seinen Plan sein Konzept aus dem Jahr 1968 auf. Damals startete er hinter Gittern einen ersten Anlauf, eine Bewegung zu gründen. Es gab Statuten, aber keinen Erfolg.

Lebendes Beispiel

Jetzt lässt Stummer von seinem Anwalt die Statuten überarbeiten und will sich zum obersten Lobbyisten der Inhaftierten aufschwingen: "Die Gefangenen bleiben immer über." Stummer hält sich selbst für das lebende Beispiel dafür, dass es Bedarf für eine solche Organisation gibt. "Ich habe jahrelang in Haft als Bäcker gearbeitet, bin rausgekommen und stand vor dem Nichts." Das in der Haft Ersparte sei so wenig gewesen, dass er nie einen Neustart überbrücken konnte. Mit Vorstrafe war er unvermittelbar am Arbeitsmarkt. "Also bin ich wieder einbrechen gegangen." Tausende Coups wurden es. "Ich hatte keine Buchhaltung", witzelt er.

Stummer hat nachgerechnet: Sieben Jahre arbeitete er etwa als Bäcker im Gefängnis in Garsten. Eine Million Schilling hätte er in Freiheit verdient, 10.000 waren es in Gefangenschaft.

An den Relationen hat sich nichts geändert: Den 5500 Strafgefangenen in Österreich, für die Arbeitspflicht besteht, bleiben pro Stunde (je nach Tätigkeit) zwischen 0,998 Euro und 1,499 Euro übrig. Ein Hälfte wird ausbezahlt, die andere gespart. Der Brutto-Stundenlohn beträgt zwar zwischen 5 und 8 Euro und wird jährlich an den Tarifindex angepasst. Allerdings kassiert der Quartiergeber kräftig mit: Mit 75 Prozent schlägt sich der Vollzugskosten-Beitrag zu Buche, mit (ungefähr) fünf Prozent die (für Strafgefangene seit 1994 bestehende) Arbeitslosenversicherung. Das ist in Erlässen und Verordnungen geregelt. In Deutschland gibt es bereits eine Organisation.

"Resozialisierung"

"Das ist im Vollzugsgesetz nicht vorgesehen", erklärt Peter Prechtl, Leiter der Vollzugsdirektion. Die Arbeit in den Justizanstalten habe den primären Zweck "der Resozialisierung. "

Wie steht der Österreichische Gewerkschaftsbund dazu? ÖGB-Jurist René Schindler hält den Begriff Gewerkschaft in diesem Fall für falsch. "Es wäre eine freie Interessensvertretung." Die Betroffenen seien per Gesetz keine Arbeitnehmer, sondern Strafgefangene. "Es handelt sich um erlaubte Zwangsarbeit." Eine ÖGB-Mitgliedschaft bestehe aber trotz einer Inhaftierung weiter.

Es ergeben sich auch praktische Fragen: Etwa, wie eine Vertretung agieren will, wenn ihr die Versammlungsfreiheit fehlt? Stummer lässt sich davon nicht irritieren. "Auch im Häfen funktioniert der Arbeitskampf." Einen Häftling hat er per Brief gefragt, ob er Präsident seiner Gewerkschaft werden wolle. Ex-Innenminister Ernst Strasser hat nicht geantwortet.