Andrang zum Kampftraining im Moscheeverein nimmt zu
Von Bernhard Ichner
Kaum eine Teilnehmerin wurde bereits selbst zum Opfer von Gewalt – die meisten besuchen die Selbstverteidigungskurse von Nur Sümeyye Yalcin (24) aus Angst. Vor sexuellen Übergriffen, aber auch vor rassistisch motivierten Übergriffen. Zum Teil, bestätigt die türkische Kampfsport-Trainerin, fühlen sich Musliminnen in Österreich als Teil einer Sonderrisikogruppe.
Attacken gegen Kopftuch-Trägerinnen und das aktuelle politische Klima tragen zur Verunsicherung bei. "Eine Schülerin hat mir zum Beispiel erzählt, sie stelle sich auf dem Bahnsteig der U-Bahn nur mehr in die zweite Reihe, damit sie nicht Gefahr läuft, auf die Gleise gestoßen zu werden", schildert Yalcin, die zurzeit fünf Kurse leitet.
"Keine Isolation"
Um das Selbstbewusstsein der Frauen zu stärken, erteilt die Trägerin des schwarzen Gürtels ihnen Lektionen in Unifight – einer Kombination aus Karate, Taekwondo, Judo und Boxen. In der Zentrale des Moscheevereins Atib in Favoriten lernen sie, sich gegen stärkere Angreifer zur Wehr zu setzen. In erster Linie durch gezielte Schläge gegen Augen, Hals oder Genitalbereich. (Für Kinder und Jugendliche werden eigene Kurse angeboten.) Ihre Klientel sei bunt gemischt, erklärt Yalcin. In ihre Selbstverteidigungskurse kommen Frauen unterschiedlichster Herkunft: mit afghanischen oder bosnischen Wurzeln, aber auch österreichische und deutsche Konvertitinnen, Kopftuch-Trägerinnen genauso wie "Unbedeckte". Wobei Erstere doch die Mehrheit ausmachen.
Dass ihre Schülerinnen lieber den Selbstverteidigungskurs im Moscheeverein besuchen, als den der Polizei, sei keine bewusste Isolation, meint Yalcin. "Es geht weniger darum, dass Musliminnen unter sich sein wollen. Sondern darum, dass sie beim Training den körperlichen Kontakt mit Männern vermeiden möchten. Außerdem ist ihnen wichtig, dass die Trainerin eine Frau ist", erklärt die 24-jährige angehende Architektin, die selbst ein Kopftuch trägt.