Ärztemangel trotz Überschuss
Von Josef Gebhard
Als TV-Serienheld versammelt er Zigtausende auf der Suche nach etwas Kitsch und Romantik vor den Bildschirmen. In der Realität gehört der Landarzt jedoch zu einer aussterbenden Spezies. Immer weniger Jungmediziner wollen sich den anstrengenden und zeitraubenden Job fernab der Annehmlichkeiten der Großstadt antun. Oft brauche es Jahre, um eine freie Stelle neu zu besetzen, klagt die Ärztekammer seit Langem.
Hohe Ärztedichte
Die Situation ist denkbar paradox: In kaum einem anderen Land ist die Ärztedichte so hoch wie in Österreich. Auf 1000 Einwohner kommen hierzulande 4,9 Ärzte, zeigt eine aktuelle Statistik der OECD. Nur Griechenland (6,1) kommt auf einen noch höheren Wert.
Die Daten der Wiener Ärztekammer geben ihm recht: Mittlerweile gibt es in Wien bereits 2827 Wahlärzte. Das sind um 348 mehr als noch 2010. "Es steigt vor allem die Zahl derer, die hauptberuflich Wahlärzte sind, anstatt neben einer Festanstellung ein paar Patienten privat zu behandeln", sagt Szekeres.
Gleichzeitig sank die Zahl der Kassenärzte von 1668 (im Jahr 2000) auf aktuell 1577. Somit kommen auf eine Ordination immer mehr Patienten – wochen-, ja sogar monatelange Wartezeiten auf einen Facharzt-Termin sind die Folge. Um sich das zu ersparen, suchen immer mehr Patienten einen Wahlarzt auf, auch wenn sie bei ihm einen Teil der Kosten selbst übernehmen müssen.
Ausbildung mangelhaft
Zurück zum Landärzte-Mangel. Für Pichlbauer gibt es einen weiteren Grund für die drohende Unterversorgung: "Die Ausbildung für Allgemeinmediziner in den Spitälern ist sehr schlecht. Viele Absolventen trauen sich daher gar nicht zu, auf sich allein gestellt eine Praxis auf dem Land zu führen."
Für Ökonomen ist die Mediziner-Landflucht an sich kein typisch österreichisches Problem. Nur: Im Gegensatz zu Österreich hätten andere Länder bereits Gegenmittel gefunden. "In Großbritannien, den Niederlanden oder in Dänemark gibt es sehr viele Gruppenpraxen. Dort gibt es keine Versorgungsprobleme."
Dass man in Niederösterreich den Ärztemangel bereits spürt, hört man nicht nur vonseiten der Ärztekammer. Auch Michael Sartori, Bereichsleiter Einsatzdienste beim Roten Kreuz, kennt die Problematik: „Wir merken es vereinzelt schon, dass es Besetzungsprobleme gibt. Vor allem auf Stützpunkten im weniger besiedelten Gebiet haben wir einen Mangel an Notärzten. In diesen Regionen dauert es dann auch etwas länger, bis ein Notarzt bei einem Unfall ist.“
Dieses Problem geht Hand in Hand mit dem generellen Mangel an Ärzten, die in den ländlicheren Gebieten arbeiten wollen. „Wir versuchen das Berufsfeld des Notarztes zu attraktivieren, doch das ist nicht so einfach: Der Beruf ist von Grund auf sehr anstrengend und darum entscheiden sich auch viele für einen anderen Fachbereich“, erklärt Sartori, der auch mit der Politik nicht zufrieden ist: „Wir können nicht ändern, was sie falsch gemacht hat. Das Rote Kreuz muss mit diesem Zustand jetzt leben und das Beste daraus machen.“
(von Kevin Kada)
„Als Wahlarzt wird man sicher nicht reich, vielleicht ist man aber zufriedener mit seinem Beruf“, erzählt Augenarzt Lukas Kellner, der im Wiener Facharztzentrum Votivpark ordiniert. „Ich habe viel mehr Freiheiten, sei es in diagnostischer Entscheidungsfindung, sei es in der Zeit, die ich für die Patienten aufwende.“
Als Vertretung von Kollegen kennt Kellner auch das klassische Kassensystem: „Kassenärzte sind gezwungen, pro Zeiteinheit viel mehr Patienten zu sehen, um wirtschaftlich arbeiten zu können.“ Die Vergütung durch die Krankenkasse stehe in keinem Verhältnis zum Arbeitsaufwand. Hinzu kämen noch die hohen Investitionskosten. Allein ein modernes Untersuchungsgerät für den Augenhintergrund komme auf 60.000 Euro.
Bei einem Wahlarzt müssen die Patienten einen Teil der Behandlungskosten selbst übernehmen. Für den gebotenen Mehrwert nehmen das viele gern in Kauf. „Wir bemühen uns etwa, dass jeder in zwei Wochen einen Termin bekommt.“
Mitte 2015 wird Bruno Schmoliner, Allgemeinmediziner im Kärntner Weitensfeld, in Pension gehen. Die Ärztekammer hat nicht vor, seine Stelle nachzubesetzen. Schuld daran ist die öffentliche Apotheke, die in der kleinen Gemeinde eröffnet werden soll. Sie verbietet den Ärzten in der Nachbarschaft, eine Hausapotheke zu betreiben. „Ohne sie rechnet sich aber eine Praxis nicht mehr, denn sie macht 50 Prozent der Einnahmen aus“, schildert Schmoliner. Ein Problem, von dem immer mehr Gemeinden in Kärnten betroffen seien.
Es sei ohnehin schon schwer genug, junge Ärzte aufs Land zu locken. „Viel Freizeit hat man in diesem Beruf nicht: Inklusive Nachtdienste komme ich auf bis zu 60 Stunden pro Woche.“ Pro Quartal kommt der Arzt auf bis zu 700 Hausbesuche. Denn 40 bis 50 Prozent seiner Patienten sind bereits in einem Alter, in dem es schwer ist, selbst in die Praxis zu kommen. „Die jungen Kollegen bleiben lieber in der Stadt und machen dort eine Wahlarzt-Praxis auf.“