Abschiebungen bringen Straßenzeitung in Bedrängnis
Immer ein freundliches Lächeln auf den Lippen, niemals aufdringlich. Die einen sind schüchtern, die anderen regelrechte Entertainer. So kennen die Innsbrucker die Verkäufer des 20er seit zwanzig Jahren. Ausgerechnet im Jubiläumsjahr kommt das soziale Projekt in Bedrängnis.
„Weniger weil die Zeitung nicht mehr gelesen wird, sondern weil wir nicht mehr so viele Verkäufer haben“, erklärte Uwe Steger, Obmann des Trägervereins und Mitgründer der Straßenzeitung, am Freitag. Rund 150 Männer und Frauen bringen das Blatt derzeit unter die Leute.
Das sind um zwanzig bis dreißig weniger als noch im Vorjahr. Und das hat nichts damit zu tun, dass immer mehr Menschen den Sprung aus prekären Verhältnissen schaffen. „Die Abschiebungen sind deutlich mehr geworden“, erklärt Steger.
Und es sind vor allem Asylwerber, die sich mit dem 20er ein kleines Taschengeld verdienen. Für sie ist es zudem eine Möglichkeit, nicht zum Nichtstun verdammt zu sein. „Es war auch immer die Idee, dass die Menschen aus der Sprachlosigkeit und mit anderen Leuten ins Gespräch kommen“, erklärt Steger das Konzept.
Für Thomas Pupp, der seinerzeit die Idee für eine Obdachlosenzeitung aus den USA nach Tirol mitbrachte, geht es um Begegnungen auf Augenhöhe. „Die Angstpolitik kann man hier im Kleinen abbauen“, sagt er.
Im Fluchtjahr 2015 und im Zuge der damals großen Hilfsbereitschaft ging der 20er weg wie die warmen Semmeln. 210.000 Stück der zehn Mal jährlich erscheinenenden Zeitung wurden abgesetzt. Seit 2016 sind die Verkäufe rückläufig. Das ist allerdings auch eine Annäherung an den langjährigen Schnitt von 16.000 bis 17.000 abgesetzten Stück pro Monat.
Anfeindungen
Steger sieht das nicht nur dem Verschwinden von immer mehr Verkäufern, sondern auch dem Wandel des politischen Klimas geschuldet. Die Anfeindungen haben zugenommen, sagt er.
Damit das Projekt, das sich selbst trägt – die Hälfte des Preises bekommen die Verkäufer, der Rest geht in Personal und Produktion – überleben kann, musste der 20er nun erstmals seit Euro-Einführung verteuert werden. Damals wurden aus zwanzig namensgebenden Schilling zwei Euro, jetzt sind es 2,80 Euro.
Situation in Graz und Linz
Die Grazer Straßenzeitung Megaphon der Caritas hat zwar keine Vertriebsprobleme. „Aber auch bei uns verschwinden immer mehr Verkäufer, von denen wir später erfahren, dass sie abgeschoben wurden“, sagt Leiterin Sabine Gollmann.
In Oberösterreich ist der Verkauf des Kupfermuckn in Linz und anderen Städte nebenfalls rückläufig, was laut Chefredakteur Heinz Zauner zum Teil mit Abschiebungen zu tun hat.
Aber wie Steger in Innsbruck beobachtet auch er: „Die Willkommenskultur hat sich abgekühlt, die Anfeindungen nehmen zu.“