11.000 Flüchtlinge an einem Tag angekommen
Der Weg nach Österreicher geht für die Flüchtlinge nun immer schneller. Der erste Treck aus Ungarn, der Nickesldorf vor etwas mehr als zwei Wochen erreichte, benötigte noch 21 bis 22 Tage. "Wir sind am vergangenen Freitag in der Türkei aufgebrochen", erzählt nun der Syrer Houssien. Auch andere Flüchtlinge berichten, dass sie nur noch rund acht, neun Tage benötigen, um nach Österreich zu gelangen. "Wir wurden nur in Kroatien 24 Stunden aufgehalten, sonst ging es immer sehr rasch", sagt Houssien, der mit seiner im vierten Monat schwangeren Frau unterwegs ist.
In Kroatien werden Flüchtlinge in Buskonvois an die Grenze gebracht. Dort warten Sonderzüge, die sie nach Österreich führen. "Die Zustände in den Zügen sind echt schlimm", berichtet ein Reporter von Stern-TV, der mit den Flüchtlingen von Serbien bis Nickelsdorf gereist ist. Mitunter bleiben die Waggons stundenlang irgendwo stehen, es ist kaum Platz, und die sanitären Zustände sind großteils katastrophal.
Allein am Samstag kamen rund 11.000 Flüchtlinge nach Österreich, der überwiegende Teil via Nickelsdorf. Mehrere Tausend standen dort auch am Sonntag auf dem Parkplatz an, um auf einen der Busse zu warten. "In rund einer Stunde kommen das nächste Mal Busse, das sollen insgesamt nur sechs Stück sein", sagte ein Bundesheersoldat und schüttelte den Kopf. Die Zeitsoldaten waren eingesetzt, um die Reisebusse abzufertigen.
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Zu Mittag und am Nachmittag brachten zwei Sonderzüge zumindest jeweils 450 Personen weg. Im Innenministerium zeigte man sich dennoch zuversichtlich. Obwohl es einen neuen Höhepunkt darstellt, sei dieser Andrang "schaffbar und machbar", betonte Sprecher Alexander Marakovits.
In der Schlange hatten Polizisten und weitere Bundesheerangehörige dennoch alle Hände voll zu tun, um Tumulte zu verhindern. "Warum geht hier nichts weiter?", war die am häufigsten gestellte Frage in der hunderte Meter langen Schlange. Selbst Taxis waren zu Mittag keine mehr zu bekommen. Erst gegen 14 Uhr kam wieder ein hupender Taxi-Konvoi an. Am Nachmittag wurde die Ostautobahn erneut vorübergehend gesperrt.
Rotes Kreuz: Ressourcen bald am Ende
Allein in Wien übernachteten von Samstag auf Sonntag rund 5000 Flüchtlinge in Notquartieren in der Stadt. Auch das Dusika-Stadion wurde wieder zur Unterkunft ausgebaut. Während weiterhin eine unglaubliche Welle der Hilfsbereitschaft durch das Land geht, spricht das Rote Kreuz erstmals von drohenden Engpässen: "Jeden Tag sind Tausende im Einsatz. Doch die Ressourcen werden bald am Ende sein", hieß es.
Das Problem ist auch, dass die Kommunikation mit den ungarischen Behörden weiterhin nicht hinhaut und es deshalb schwerfällt, zielgerichtet die Leute einzusetzen. Die Polizei vor Ort erhält teilweise mehr Informationen von Journalisten aus aller Herren Länder, die mit den Flüchtlingen unterwegs sind, als von offiziellen Stellen. Derzeit ist vor allem die Route über Kroatien – am Grenzzaun vorbei wieder nach Ungarn hinein – die am häufigsten genutzte.
Salzburg rüstet sich
Es ist unklar, wie lange die Menschen in Österreich ausharren müssen, bis sie nach Deutschland weiterreisen dürfen. In Salzburg rüstete man sich für den nächsten Ansturm. Vorsorglich wurden Notunterkünfte beim ehemaligen Asfinag-Gebäude sowie das alte Zollamt aktiviert. Im Innenministerium rechnet man damit, dass die aktuellen Zahlen an Flüchtlings-Ankünften noch einige Tage oder sogar Wochen so hoch bleiben dürften.
Täglich zeigt die Flüchtlingswelle neue Facetten und erreicht andere Dimensionen: In Spielfeld wurden in der Nacht auf Sonntag erstmals Dutzende Schutzsuchende ohne Pässe von Österreich nach Slowenien zurückgewiesen. Als die Flüchtlinge am Sonntagvormittag taktisch vorgingen und als Gruppe über die Grenze drängten, waren sie jedoch nicht mehr aufzuhalten.
Einzelpersonen können kontrolliert, gestoppt und abgewiesen werden, eine Hundertschaft nicht mehr – "Please open the Border!" "Bitte öffnet die Grenze", skandierten rund 100 Menschen, nachdem sie die Nacht im sogenannten "Niemandsland" zwischen Österreich und Slowenien verbracht hatten. Nach Slowenien wollen die Gestrandeten trotz Aufforderung der österreichischen Beamten nicht zurückkehren. "Germany", lautet das Ziel. Als sie um 11 Uhr geschlossen Richtung Grenze drängten, wurden sie nicht mehr an der Einreise gehindert.
"Es waren zahlreiche Frauen, Kinder und gebrechliche Personen dabei. Wir werden weder Gewalt noch Waffen einsetzen", sagt Fritz Grundnig, Sprecher der Landespolizeidirektion Steiermark. Um die Flüchtlinge alleine durch physische Präsenz stoppen zu können, würde man viel mehr Polizei und Militär benötigen. "Im Verhältnis 2:1, aber das haben wir nicht", betont Grundnig.
In Bad Radkersburg wiederholte sich am Sonntagnachmittag diese Szenerie: 250 Flüchtlinge formierten sich und drängten in die Steiermark. "Wenn ein derartiger Ansturm kommt, ist ein Einschreiten nicht möglich", unterstreicht Polizeisprecher Leo Josefus. Die Migranten wurden auf der Grenzbrücke registriert und dann weiter nach Spielfeld gebracht.
Kroatien schleust durch
Slowenien ist weiterhin bemüht, den Zustrom der Flüchtlinge ins eigene Land und deren Weiterreise nach Österreich einigermaßen zu kontrollieren. An der Grenze zu Kroatien sind Polizeieinheiten in Kampfmontur postiert, um Ausschreitungen wie am Wochenende zu verhindern. Entsprechend überschaubar scheint die Zahl der Menschen, die sich in Slowenien aufhalten. 2500 wurden in den vergangenen Tagen registriert.
Ganz anders die Lage in Kroatien. Dort sind nach Angaben des Innenministeriums seit vergangenem Mittwoch mehr als 25.000 Menschen ins Land gelangt, und der Zustrom, vor allem aus Serbien, reißt nicht ab. In dem mit Tausenden völlig überfüllten Grenzort Tovarnik kommen im Stundentakt Busse mit Flüchtlingen an. Deren Erstversorgung scheint, anders als in den chaotischen Tagen der Vorwoche, einigermaßen gesichert. Doch die Regierung in Zagreb tut alles, um die Menschen möglichst schnell aus dem Land zu bringen. Sie werden in Bussen an die ungarische Grenze gebracht. Dort übernimmt sie Ungarn und schafft sie im Eiltempo an die österreichische Grenze.